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Der übriggebliebene Anfang eines Essays

Es existiert eine nihilistische Sprache, deren Worte, für sich betrachtet, weder eine Nähe noch Ähnlichkeit mit einer Sprache der Moralverleugnung erkennen lassen. Doch liegen deren Worte zuhauf, trennt ein eigener Magnetismus sie von anderen Sprachen, stößt sie ab und preßt sie aneinander. Dabei entsteht ihr Magnetismus nur in der Summe ansonsten kraftarmer Worte. Der Anfang ihrer eigentümlichen Kraft ähnelt dem binären Waffenprinzip: die Wirkung beginnt im Augenblick der Zusammenfügung.

Die moderne Fernsehnachrichtensendung gleicht jenem Haufen, jener Sammlung des wertfrei-wertlosen Sprechens. Der Obdachlose vor dem Verkehrshinweis, der Kulturbericht nach der eitlen Politikerkonferenz, der Weinachtssegen nebem der Greenpeace- Aktion, der gedunsenen Negerhängebauch nach den zufriedenen Weinachtseinkaufgesichtern. Der Zusammenschnitt macht die Musik. Das Gewissen der Zeit, der zeitgestaltenden Fernsehmacher findet sich im nichtfaßbaren Augenblick des Umschnitts von einem Ereignis zum Anderen. Die Bildsprache des Umschnitts ohne Sinn: ihr einziger Sinn. Die Schnittstelle: ein Tummelplatz der moralischen Ansprüche, zeitlich und sinnlich wahrnehmbar, doch ihr Wesen ist ihre Nichtexistenz. Soll man es bedauern? Die Schnittstelle: der Gratwanderer Laufsteg, rasiermesserscharfe Scherenarbeit, darin die metaphysische Besinnung zerhackstückt wird. Nur finden sich keine Leichen: die Leichen der Nachrichtenmacher sind ihre Sendungen, totes Kanaltreibholz, auf dem sie selbst - mit nimmermüdem Scherengeklapper, die Lieder der Zeit rhytmisch bildend - dahintreiben. Auf Kanal 1-100 gleiten sie, mein Umschaltknopf folgt ihrem Wellentanz, die Schnittstellen zwischen den Nachrichtenbildern gleichen den Schnittstellen zwischen den Kanalfrequenzen, ..., mein fingerschnelles Knopfdrehen versucht den Ausweg: schneller drehen, schneller drehen und schneller drehen und schneller als Schnittstellen gesetzt werden, die Schnittstellen der Kanaltreibholzflößer auflösen in das freie eigenmächtig erzeugte Rauschen...

wie die Welle am Strand, das ewige Anbranden an den feinsandigen weiten Küstensaum, auf dem meine Füße Eselshufabdrücke hinterlassen, gerade gesetzte,..., wellenumspültes Dahinzuiehen am frühen, salzlufzigen Windbrautsmorgen, gedankenfrei atmen, Fußhufabdrücke biegen ab, rechtwinkliges Dünenüberschreiten, seinen begonnenen Text verlassend trifft er den knieneden Mönch.

 

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