Katja Lange-Müller
Magisterarbeit
Humboldt-Universität zu Berlin
Philosophische Fakultät II Institut für Germanistik
eingereicht von Andreas Kölling
Wissenschaftliche Betreuung: Professor Stephan, Inge
Berlin, den 1. 12. 1997
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Forschungsanliegen und Ergebnisse:
Die folgende Arbeit gibt erstmals einen Überblick über alle zum Leben und Werk der Autorin Katja Lange-Müller erschienenen Texte. Sie untersucht die Wahrnehmungsraster der Kritiker ihrer Literatur, mit denen in den Zeiten der Ost-West-Teilung die Texte der seit 1984 im Westen lebenden "ostwestdeutschen" Autorin betrachtet wurden. Als Ergebnis zeigt sich ein polares oder bipolares Wahrnehmungsmuster: ihre Texte wurden entweder auf ihren politisch-öffentlichen Gehalt hin überprüft oder als private Lebensdramen verstanden. Eine sich anschließende Untersuchung befragt das poetische Konzept der Autorin und füllt einige Leerstellen der bisherigen Rezeption aus.
Inhalt
I
Am 4. Mai 1995 erhielt die ostwestdeutsche Schriftstellerin Katja Lange-Müller den Alfred-Döblin-Preis der Akademie der Künste für ihren Text "Verfrühte Tierliebe". Der Stifter des Preises - Günther Grass hatte ihn 1979 als Vorabauszeichnung für unveröffentlichte Prosatexte initiiert - schrieb in einem Brief an die Preisträger: "Haltet die Literatur hoch und den -betrieb klein. Seid streitbar und freundlich zueinander"1.
Die anschließend veröffentlichten Wahrnehmungen des Vorgangs durch einige Rezensenten wurden zu einer Art Kurzsprint durch Leben und Werk der Autorin. Den Lesern wurden die zwei bis dahin erschienenen Bücher "Wehleid - wie im Leben" (1986) und "Kasper Mauser - Die Feigheit vorm Freund" (1988) kurz vorgestellt und einige biographische Details mitgeteilt, auf welche die vorliegende Arbeit - nun aber ausführlich und weitgehend chronologisch - im ersten Abschnitt eingehen wird.
Dieser Abschnitt will aber keine bloße Zusammenfassung von Biographie und Werk präsentieren, sondern - in Übereinstimmung mit einer möglichen Interpretation des Titels dieser Arbeit - jene Untersuchungen untersuchen, mit denen den Lesern das Leben und die Texte der Autorin im Verlauf der zurückliegenden Jahre nahegebracht wurden. Dabei soll die besondere Aufmerksamkeit den Wahrnehmungsmustern der Rezensenten gelten, mit denen sie sich den Prosatexten und der Biographie der Autorin näherten.
II
Zur Ankündigung einer Lesung Katja Lange-Müllers in "seinem" Literaturverein "Orplid" verfaßte Adolf Endler eine Rezension zu dem inzwischen veröffentlichten Buch "Verfrühte Tierliebe", die dem vorliegenden Text zu seiner Überschrift und einigen Fragestellungen verhalf.
"Ein weiblicher Beatnik!", meinte Endler im August 1995, sei die Autorin, "etwas zumindest in Deutschland vollkommen Singuläres". Sodann untermauerte und verwarf er seine These gleichermaßen. Zum einen würde Lange-Müller "die Sphären des Irrsinns und des eher höllischen Rausches tangieren() wie die frühen Ginsberg, Kerouac, Burroughs. Das vorangegangene Werklein 'Kasper Mauser ...', eine depressionsgeschwängerte schwarzhumorige Feier des ... 'Verwahrlosungssyndroms', an dem die entwurzelten Helden leiden, ... , kann man ohne große Mühe im weiteren Umfeld der um sich schlagenden Beatnik-Wütigkeit sehen". Dagegen setzte er aber den Hinweis, wie wenig die Literatur der "Ost-Berliner 'Aussteigerin'" durch die konkrete Lektüre der "Beatnik-Literatur" veranlaßt sei und sie "zudem über einen versehrenden Humor verfüg(e), wie er den Beatniks, aber auch den meisten Helden vom Prenzlauer Berg ziemlich fremd geblieben ist".
Obwohl sich ihre tatsächlichen literarischen Grunderlebnisse mit der Rezeption des "hoch disziplinierte(n) sublim-ironische(n) Werk Robert Musils" oder der "exzessuösen Produktion Alfred Jarrys" eingestellt hätten, könne man die Deutung der Autorin als "weiblicher Beatnik" aufrechterhalten, nämlich wenn man den Vergleich mit jener Beatnikliteratur so verstehe: "In allem, was Katja Lange-Müller geschrieben hat, arbeitet Protest , ans Licht gebracht zum Teil mit gossenberlinerischem Witz ... ".2
Dieser wenig ausgeführte Befund soll im zweiten Teil der Arbeit weiter untersucht werden. Dabei wird vor allem der Frage nachgegangen, ob und wo sich in den Texten Lange-Müllers ein Protest gegen vorherrschende Wahrnehmungsmuster und/oder Gesellschaftszustände auffinden läßt, der den Ansätzen einer Beatnikliteratur ähnelt.
2. Die öffentliche Wahrnehmung von Texten und der Biographie einer Schriftstellerin
Es ist wohl eine Selbstverständlichkeit: Schriftsteller und Schrifstellerinnen leben nicht von ihrem Werk, sondern von seiner öffentlichen Wahrnehmung. Diese Wahrnehmung beginnt nicht mit der erfahrungsfreien Entdeckung eines Buches durch den Kolumbus der Buchläden und sie beschränkt sich nicht auf das Lesen der Texte. Nach der Zeit als Jung-Künstler mit ersten Vor-Lesungen und ersten kurzen Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften, die von besonders interessierter Seite wahrgenommen werden, sind es schließlich - mit dem ersten Buch - neben der Mundpropaganda vor allem die professionellen Vorkoster, jene zu- oder abratenden Literaturkritiker, auf deren interpretatorischen Sachverstand sich der "Normalleser" verläßt. Erst jetzt kann ein Textschreiber als Schriftsteller in das öffentliche Bewußtsein dringen. Mit einigem Glück wird der Autor Preise bekommen und zusätzliche Öffentlichkeit. Sein Leben kann unter Umständen interessieren, seine Lesungen, sein gesellschaftliches Engagement. Langsam formt sich ein Bild des Schriftstellers.
Dieser Wahrnehmungsprozess selbst scheint mir einer ausführlichen chronologischen Nachzeichnung und Untersuchung wert - zumal noch keine größere zitierenswürdige literaturwissenschaftliche Arbeit über Katja Lange-Müller existiert. Hierdurch werden erste interpretatorische Schwerpunkte deutlich, auf denen die folgende Arbeit aufbaut und die sie ergänzt. Erst im Kontext der untersuchten Interpretationen - die im Falle der beiden Bücher "Wehleid - wie im Leben" und "Kasper Mauser - die Feigheit vorm Freund" vorrangig mit Blick auf die Ost-West-Teilung verfaßt wurden - wird eine heutige Interpretation den damaligen Auslassungen und weißen Flecken der Wahrnehmung einiges hinzufügen können.
Zugleich soll versucht werden, die Biographie der Autorin mitzubeschreiben, nämlich so, wie sie in den Kritiken in Bezug zu den Texten gesetzt oder in manchen Gesprächen von der Autorin erfragt wurde.
Diese vermischte Untersuchung einer weitgehenden Chronologie von Text- und Lebenswahrnehmung durch Dritte oder die Autorin selbst scheint mir vertretbar. Hiermit soll der methodologischen Grundannahme des Autors entsprochen werden, wonach Literaturinterpretationen ohne Kenntnisse und Bezüge zur Biographie, in die sich die Symbolsysteme des Zeitgeistes, überindividuelle Wertmuster oder diskursive Erfahrungsperspektiven einschreiben und die sich immer vor dem Hintergrund sozialgeschichtlicher und politischer Faktoren individuell gestaltet, nicht ausreichend sind. Weiterhin steht die Selbst- und Fremdwahrnehmung einer Biographie selbst im Zeichen der Zeichen, im Kontext überindividueller Wahrnehmungsraster, die sich durch vielfältige Diskurse formieren. Eine Biographie ist folglich nicht nur ein individuelles Konstrukt unter angenommener oder zurückgewiesener Teilhabe der Diskursmächte, sondern in der Selbst- und Fremdwahrnehmung ein Konstrukt des Konstruktes, im konkreten Fall von Schriftstellerbiographien eine Hinordnung des Lebens auf des Schriftstellers formale oder inhaltliche Schreibgewohnheiten. Um diese Eigenart zu verdeutlichen, erschien mir das Nacherzählen einer Biographie als vermischte Biographie aus erster Hand (Interviews) und zweiter Hand (Artikel, Kritiken) am besten geeignet. Allerdings soll ausdrücklich betont sein, daß auch diese "Meta-Biographie" auf Auswahl und Gewichtung angewiesen ist.
2.1. Öffentliche Wahrnehmung in der DDR
Die erste öffentliche (veröffentlichte) Wahrnehmung von Katja Lange fällt zusammen mit ihrer ersten Publikation in der Zeitschrift ndl, Nr. 12/76. Sie enthielt unter der Überschrift "Ausgangspunkte" das kurze Prosastück "Die Unbefugten", das in überarbeiteter Form später ihr erstes Buch, die Erzählungssammlung "Wehleid - wie im Leben", einleiten sollte, sowie zwei Gedichte: "Singsang" und "Liebes-Kunst-Gewerbe"3. Zum Hintergrund sollte man wissen: Am 13. 11. 1976 hatte in Köln Wolf Biermann sein wellenschlagendes Konzert gegeben. Die sich anschließende Petition gegen die Ausbürgerung des Künstlers hatte Katja Lange am 20. November unterschrieben. Die Dezember-Zeitschrift der ndl war aber schon im Druck.
Den Texten war eine "Vermutung" des ndl-Chefredakteurs Werner Liersch vorangestellt, die den ersten und einzigen Versuch in einem offiziellen DDR-Medium darstellt, die damals 25jährige Autorin Katja Lange nicht nur kurz vorzustellen, sondern als zukünftige Schriftstellerin in den Kulturbetrieb der DDR einzuführen. "Ersten Gedichten und Geschichten - was ist ihnen anzusehen?", fragte Liersch. Seine Antwort: "Meist wenig ... Wer genauer hinsehen will, besehe sich den Schreiber. Doch der ist noch versteckt im künftigen Werk. Denn natürlich hat er es vor."4 Offenbar wollte die Veröffentlichung - zudem mit "Ausgangspunkt" überschrieben - mehr als einen poetischen Jugendversuch dokumentieren. Keine Eintagsfliege wurde vorgezeigt, sondern der Beginn eines Werkes angekündigt und erwartet.
Über die Autorin hieß
es dann, sie sei "eine resolute Berliner Weibsperson", die
ausdrücklich betone, daß ihr Geburtstag, der 13. Februar 1951, ein
"Freitag der Dreizehnte war". Ein Hinweis auf die politbürokratische
Mutter5 unterblieb hier. ähnlich mehrdeutig
blieb der folgende Satz, in dem Liersch vermutete, "daß dieser
Weibsperson kalter Rationalismus die ganze Welt noch nicht ist und hier einer
gelegentlich kritisch die eigene Biographie bedenkt."6
Wollte der erste Teilsatz die junge Autorin von der "wissenschaftlichen
Weltbetrachtung" der Mutter und ihrer politischen Funktionärsfreunde
abgrenzen, die dem erfahrungskonterkarierenden Leitsatz folgten, man dürfe
nicht von den Erscheinungen des Lebens auf das Wesen des Systems schließen?
Oder war nur die sinnliche "Unsachlichkeit" ihres Schreibens gemeint?
Oder ihr jugendlicher Übermut? Auch der ihr attestierte kritische Umgang
mit der eigenen Biographie wäre wohl vor dem Hintergrund ihrer Familienherkunft
deutbar. Allerdings könnte ebenso der besondere Blick auf die schmerzhaft-dunklen
Momente im eigenen Leben jenseits des politischen Kontextes gemeint sein, der
sich schon in den "Unbefugten" andeutete, wo eine jugendliche Ich-Erzählerin
hinter einem "kapitalen" Fliedergebüsch auf dem intimen
Friedhof-Spielplatz ihrer Jugendzeit zwischen den
Füssen ihres langjährigen Schulfreundes "zwei weitere, kleinere
Fußsohlen, wie Schmetterlingsflügel in einem Spinnennetz"7
entdeckt.
Nach der Aufzählung verschiedener Berufe der Autorin, "Drucker, redaktionelle Hilfskraft, Requisiteurin, Schwester in der Psychatrie", was "(g)ewiß keine kontinuierliche Berufsentwicklung" darstelle, hob Liersch hervor, daß ein "solch natürliches Umtun in dem, was sich Wirklichkeit nennt, Stipendien spart" und vor allem "für Schreiber ... einen ganz nützlichen ersten Rundhorizont" ergibt. Merkbar optimistisch im Kontext der sozialistischen Menschengemeinschaft deutete er ihre langjährigen "Lebensstudien" als Krankenschwester in der Psychatrie, nämlich als "Solidarität mit Leuten, die Hilfe brauchen, und aus Lust, an Plätzen zu sein, wo etwas zu tun ist. Davon könnte ein sehr engagiertes Schreiben ausgehen."8 Es wird sich zeigen, das bundesdeutsche Kritiker diese psychiatrische Arbeit deutlich anders werteten. Da allerdings sind einige Jahre vergangen und ihr engagiertes Schreiben hatte sich sowohl der erhofften Form gesellschaftlicher Mitarbeit wie auch dem moralkorrigierenden Helferkomplex älterer Schriftsteller entzogen. Nach ihrer Unterstützung der Biermann-Resolution kamen weitere Veröffentlichungen auf offiziellem Wege ohnehin nicht mehr zustande. Andere öffentlich formulierte Erwartungen oder Kritiken blieben folglich aus.
Wenn Liersch auch mit wichtigen Einschätzungen eher Wünsche als Realien formuliert hatte, bleibt sein kurzer Beitrag vor allem literaturhistorisch interessant. Er dokumentiert, wie einer jungen Autorin eine Brücke in den DDR-Literaturbetrieb gebaut werden sollte. Darüber hinaus enthielt er auch einige klarsichtige Wahrnehmungen. So kam dem Autor im Gespräch mit der berlinernden Frau "wie sonst kaum der Gedanke, daß gerade in dieser großen Stadt die Sprache arbeitet und hier einer mitarbeitet. Angst vor Sentimantalität."9
Doch dann begann die Zeit einer "abwesenheit" der Autorin, wie der Titel des ersten Gedichtbandes von Wolfgang Hilbig die allgemeine und konkrete Situation vieler DDR-Schriftsteller umschrieb. Es war eine Abwesenheit vom offiziellen Kulturbetrieb der DDR, die nach dem kulturpolitischen Veränderungen im Gefolge der Biermann-Ausbürgerung zu einer Grunderfahrung vieler Schreibender wurde, einer Abwesenheit aber auch, die zugleich die Chance enthielt, den Vereinnahmungen eigener Literatur zu entkommen und bei sich selbst oder in der eigenen Sprache und in einem "subkulturellen" Raum anzukommen.10
All das aber spielte sich jenseits einer öffentlichen Wahrnehmung ab und gehört - entsprechend der geäußerten Absicht für diesen Abschnitt - nicht hierher. Zwar veröffentlichte Katja Lange-Müller noch einige Texte in der inoffiziell publizierten Zeitschrift "Mikado"11, aber eine weitere kritisch-wertende Begleitung aus DDR-Zeiten ist mir nicht bekannt.
2.2. Wahrnehmung des Weggangs aus der DDR
Als Katja Lange-Müller im November 1984 die DDR verließ, blieb ihr Systemwechsel in den Medien der Bundesrepublik vorerst ohne Resonanz. Die Chronologie des Lebens und der öffentlichen Wahrnehmung traten auch hier anfänglich auseinander. Die öffentliche Wahrnehmung setzte erst mit den Rezensionen von "Wehleid - wie im Leben" und den Würdigungen zur Verleihung des Ingeborg-Bachmann-Preises ein, sie nahm mit den Rezensionen zu "Kasper Mauser - Die Feigheit vorm Freund", einem Text, der sich explizit mit dem Wegehen oder Dableiben in der DDR und dem Problem des Ankommens in der Bundesrepublik auseinandersetzte, an Intensität zu und wurde danach in Selbstaussagen der Autorin mehrmals reflektiert.
An dieser Stelle sei die Frage gestellt: Warum eigentlich blieb Katja Lange Müllers Wechsel von Berlin-Ost nach Berlin-West für einige Zeit ohne Resonanz? Dazu drei Antworten.
Erstens umfaßte ihr bisheriges Werk nur wenige veröffentlichte Texte.12 Eigenen Aussagen zufolge war sie, als sie in den Westen kam, "nicht mal Schriftstellerin. Was ich geschrieben habe, hat nicht gereicht, um zwischen zwei Buchdeckel geklemmt zu werden."13 Was diese private Perspektive allerdings ausspart, ist eine Nichtwahrnehmung, die auch andere junge, nichtetablierte DDR-Künstler betraf: "Da die Schriftsteller, Musiker und Maler der subkulturellen Bewegung (wozu Lange-Müller - wie erwähnt - durchaus gehörte, d.A.), die seit 1984 die DDR verließen, im Westen völlig unbekannt waren, nahm die Öffentlichkeit hierzulande von dieser besonderen Gruppe der Auswanderer auch kaum Notiz"14 Im Jahr 1984 waren nach Andrea Jäger folgende Autoren in den Westen gelangt: Martin Ahrend, Lothar Fiedler, Barbara Honigmann, Karin Kranhold, Christa Moog, Hans (Chaim) Noll, Andreas Röhler, Karl Hermann Röhricht, Michael Rom, Doris Paschiller und Cornelia Schleime15 Ob es an Texten überhaupt oder nur an westlicher Aufmerksamkeit mangelte, die Wirkung jedenfalls war: Als Schriftstellerin wurde Katja Lange-Müller vorerst keine "Person öffentlichen Interesses" in der neuen Welt, weil sie auch in der alten Welt keine solche Person gewesen war.
Als Randfaktor kam zweitens hinzu, daß - wohl um den Unmut der vielzähligen Ausreisewilligen abzufangen und diesen Unruhefaktor teilweise aus dem Land zu bekommen - in jenem Jahr 1984, im Umfeld der Volkskammerwahlen, mit rund 60.000 Ausreisenden mehr als dreimal soviele DDR-Bürger in den Westen übersiedelten als üblich. Die damit verbundene westliche Wahrnehmungsübersättigung mag davon abgehalten haben, die - Spezialisten durchaus bekannte - Ankunft der jungen Autoren unter der denkbaren Leitidee einer "verhinderten Generation" in den großen Medien zu behandeln.
Drittens entsprach Katja Lange-Müller - wie man ihren späteren Äußerungen und Selbstausdeutungen entnehmen kann - ohnehin nicht jenem "Ideal"-Bild eines mit der DDR verkrachten Intellektuellen. Beide Seiten gingen offenbar nicht aufeinander zu. Die Medien hatten sie als nichtöffentliche Person nicht entdecken können. Die Schriftstellerin ihrerseits entzog sich der Einschreibung in das vorherrschende mediale Wahrnehmungsraster.16
Dieser Vorgang verdient auch deshalb Beachtung, weil fast zeitgleich ein Feld im Wahrnehmungsraster neu abgesteckt wurde, in das man auch Katja Lange-Müller sofort bequem hätte einschreiben können. Im gleichen Jahr war der Maler und bald darauf freischaffende Schriftsteller Hans (Chaim) Noll, Sohn des bekannten Autors des "Werner Holt", Dieter Noll, in den Westen gekommen. Vater Noll hatte in den Tagen nach der Biermann- Ausbürgerung eine auffallend ausfällige und daher stark rezipierte Rolle in einem ND-Artikel gespielt, in dem er die Biermann-Petenten als "kaputte Typen"17 beleidigte. Auch andere Kinder von bekannten staatstragenden DDR-Persönlichkeiten waren in den Westen gewechselt: Thomas Brasch, Katja Lange-Müller, später Monika Maron - aber nur Hans Noll wurde zu "einer Symbolfigur für die Abwendung der staatstragenden sozialistischen Nachwuchskader vom System ihrer Väter"18 Katja Lange-Müller jedenfalls - trotz ihrer besonderen biographischen Eignung - stand als Symbolfigur nicht zur Verfügung.
2.2.1. Weggang als ästhetisch-politischer Protest
Doch bald bekam die westdeutsche Öffentlichkeit Kenntnis von der neuen Mitbürgerin. In den ersten vier Rezensionen zu "Wehleid - wie im Leben", die noch vor der Bachmann-Preis-Verleihung am 29.6. 1986 erschienen, wurde jeweils ein kurzer biographischer Abriß mitgeliefert. Die Lebensstationen, die schon Werner Liersch aufgezählt und die sich inzwischen verlängert hatten, wurden in unterschiedlicher Präzision benannt. In der ersten Rezension vom 27.3. 1986 in der FAZ schrieb Jürgen Jakobs, Lange-Müller habe "in Ostdeutschland als Redakteurin, Druckerin und Krankenpflegerin gearbeitet, sie hat am Johannes R. Becher-Institut in Leipzig Literatur studiert, war ein Jahr in der äußeren Mongolei, dann wieder als Lektorin in der DDR und siedelte 1984 nach West-Berlin über"19 Konrad Franke schrieb über frühere Lebensstationen in der Süddeutschen Zeitung präziser von Arbeiten "als Umbruch- und Bildredakteurin, als Handsetzerin, als Hilfspflegerin, als Lektorin" und führte sie mit dem kurzen Nebensatz, "heute will sie vom Schreiben leben", in den professionellen Schreibbetrieb der Bundesrepublik ein. Indirekt benannte sein Artikel vom 30.4./1.5. 1986 auch das Datum der Übersiedlung. Die 35jährige Katja Lange-Müller lebe "seit anderthalb Jahren in Berlin-West".20
Über die Gründe ihres Weggangs wurde in diesen ersten Artikeln noch nicht gerätselt. Höchstens indirekt konnte der Leser vermuten, daß ihre "innere Verwandtschaft mit der apokalyptischen Weltsicht" eines Jakob van Hoddis und die " Grundstimmung ihrer Texte, ... Verzweiflung, Ekel und Tristesse"21, sie der DDR entfremdet habe. So wird die Vermutung der Rezensenten erkennbar, die Autorin hätte wohl wegen ihres existentiellen Pessimismus und dessen ästhetischer Konsequenzen mit ihrem Ex-Staat über Kreuz gelegen. Ihr Blick sei auf "das übersehene und eigentlich Wirkliche" gerichtet, ihre Darstellung des "DDR-Sozialismus, ohne Hemmungen, ohne Rücksichten", käme ohne ein "direktes Wort über Politik" aus und enthalte "viele Wörter über die Einsamkeit".22
Andererseits wurde aber auch die politische Thematik mancher Texte betont, die zugleich wie eine Übersiedlungsdeutung klangen. So ging Beatrice Eichmann-Leutenegger in der NZZ vom 10.5. 1986 auf den Text "Lebenslauf"23 ein, der die Lebensgeschichte von einem Offizier der Volksarmee berichtet, welcher als "Grenzposten der DDR ... auf einen Republikflüchtling"24 schießt und später selbst bei der eigenen Flucht erschossen wird.25 Wer so etwas schreiben wollte, konnte der Leser schlußfolgern, war in der DDR schlecht aufgehoben. Ähnlich sah es Effi Horn im Münchner Merkur vom 16.5. 1986, die das Schreiben Katja Lange-Müllers als "Eruptionen eines glühenden, endlich vom Druck des Schweigens befreiten Talents" beschrieb, "das danach lechzt, sich mitzuteilen".26
Insgesamt waren diesen ersten Rezensionen jene Annahmen eingeschrieben, die immer wieder als Übersiedlungsgrund vieler Autoren angesehen wurden: politische und ästhetische Differenzen zwischen dem Schriftsteller und dem DDR-Staat. Allerdings wurde das Thema Übersiedlung anfänglich eher nebenbei behandelt - die besprochenen Texte waren ja allesamt noch in der DDR geschrieben worden27 -, und der Schwerpunkt der Wahrnehmung lag auch nicht auf einer verbal geäußerten politischen Distanz - weil sie sich nicht fand. Vielmehr betonten die Rezensenten den "schockierenden Realismus"28 einer chaotisch-verzweifelten Weltanschauung, "vorgetragen mit einem Gelächter unter schamhaft verkniffenen Tränen"29- und hatten damit von einer Weltsicht gesprochen, mit der sie in der DDR nur schwer hätte öffentlich werden können und die den Weggang verstehbar deutete.
Auffällig ist immerhin, daß weder der private Mutter-Tochter-Komplex noch irgendein außerpolitisches "Abenteurertum" - beide Gründe hat Lange-Müller später selbst ins Gespräch gebracht - bedacht wurden. Die Wahrnehmung ohne Zurechtweisung bewegte sich noch in den üblichen Diskursrastern.
Die Zeitungsartikel, die unmittelbar auf den Bachmann-Preis der Autorin reagierten, variierten mit einigen Anmerkungen zum Preisträgertext wieder nur indirekt den Fundus der bisherigen Ausreisedeutungen.
Frauke Ohloff etwa merkte zu den neuen Texten der Bachmann-Preisträgerin an30, die Autorin betreibe darin "einen Widerstandshumor ... gegen die ... Regierenden und Herrschenden... 'Dieser gewisse Berliner Humor gedeiht, weil eine bestimmte Gesellschaft so todernst ist', meinte Peter Demetz"31, ein Juror. Mira Beham unterstrich, die vorgetragenen Texte würden "inhaltlich und sprachlich von einer ungepflegten Anarchie getragen"32, womit ebenfalls anklang, hier habe jemand nicht in die vorgegebene inhaltliche und ästhetische Ordnung der DDR gepaßt.
Eine - wenngleich unkonkrete - neue Information zur Ausreise bot dieselbe Mira Beham, indem sie schrieb, die Autorin lebe "seit knapp eineinhalb Jahren mehr oder weniger unfreiwillig im Westen"33.
Was konnte damit gemeint sein? "Unfreiwillige Ausreise" klang nach Zwangsausbürgerung oder Abschiebung in den Westen. Woran aber ließ das mildere "mehr oder weniger unfreiwillig" denken? Hiermit sollte der Leser wohl an einen selbstgestellten, jedoch mit staatlichem Nachdruck provozierten Ausreiseantrag denken oder an jenen "lechzenden" Drang nach Gehör, der nur durch den Weggang dem "Druck des Schweigens" entgehen konnte.
Siegmund Kastner schließlich vermerkte, die Preisträgergeschichte, in der eine Ex-Ost-Neu-Westberlinerin und eine Ostberlinerin die weiblichen Hauptfiguren waren, sei "angesiedelt zwischen Fern- und Heimweh"34, wodurch er auf eine Reflexion des Weggehens verwies, das nicht auf einen Totalabbruch der inneren Beziehungen zum Ort des Herkommens zulief. Auch diese Beobachtung paßte ins allgemeine Bild von Ex-DDR-Schriftstellern: wer das eine Deutschland verließ, war im anderen noch lange nicht angekommen.
Kurz nach der Bachmann-Preisverleihung schrieb Karl Corino am 19.7. 1986 in der Stuttgarter Zeitung eine Rezension zu "Wehleid", die ein neues Interpretationsmuster vortrug. Katja Lange-Müller wurde dem vorhin erwähnten neuen Wahrnehmungsfeld "Enttäuschte Fürstenkinder" eingeschrieben. Corino schrieb: "Den Generationenkonflikt gibt es auch im 'real existierenden Sozialismus'. Man nehme nur die Fälle Thomas Brasch oder Hans Noll. ... Ähnlich spektakulär ist die Übersiedlung Katja Lange- Müllers. ... Die Mutter, Ingeburg Lange, ist immerhin Kandidatin des Politbüros, gehört also zur Machtelite des 'Arbeiter- und Bauernstaates'. Es kommt offenbar nicht von ungefähr, daß Kinder der Generation, die diesen Staat aufgebaut hat, an ihm irre und aus 'De-de-ronis' 'Bundis' werden. In einer der 'ersten' Familien der DDR aufzuwachsen, bedeutet vielleicht, die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit besonders kraß zu erfahren, heißt vielleicht, früh auf den Widerspruch zwischen hehren Idealen und zynischer Praxis zu stoßen, auch auf den zwischen öffentlicher und privater Existenz".35
Nach diesem Urteil wurde nun die Biographie der Schriftstellerin auf ihre Beweiskraft für diese These hin untersucht. Ihr "halbes Jahrzehnt als Hilfspflegerin in Berliner Krankenhäusern, vorwiegend in geriatrisch psychatrischen Stationen" war nun "gut Adlerisch, vielleicht schon als ausdrücklicher Protest gegen den gesellschaftlichen Aufstieg der Mutter zu verstehen. Statt mit den führenden Genossen ging Katja Lange-Müller mit den Letzten in der sozialen Hierarchie um."36
Welche Spannweite der Deutung: Werner Liersch war die Arbeit in der Psychatrie als "Lebensstudium" erschienen, als ein Solidarakt mit Hilfsbedürftigen, als angewandter gesellschaftsbejahender sozialistischer Humanismus, als eine Art privat wiederentdeckter und begangener "Bitterfelder Weg", der zu realistisch-engagierter Literatur führen könnte. In seiner Wahrnehmung fand sich wohl die marxistisch-leninistische Konzeption des Kollektivismus aufgehoben. In einer grob-uneleganten Definition des "Kleinen Politischen Wörterbuchs", dessen Funktion die Ausrichtung und Verfestigung der herrschenden politischen Diskurssprache war, hieß es über den Kollektivismus, "daß die freie Entfaltung der Menschen sowie die Befriedigung ihrer Interessen und Bedürfnisse nur in und mit der Gemeinschaft möglich ist, und () daher die freiwillige, auf der Übereinstimmung der grundlegenden gesellschaftlichen und individuellen Interessen beruhende Einordnung des Individuums in die Gesellschaft"37 anzustreben sei.
Seine Wahrnehmung eines Schriftstellerlebens bewegte sich im Kontext dieser ideologischen Vorstellung von der grundsätzlichen und - zumindest letzlich - objektiven Interessengleichheit der privaten Lebensmöglichkeiten eines Schriftstellers mit den gesellschaftlichen Erfordernissen. Das Schreiben und das Schriftstellerleben konnten gemeinsam eine gesellschaftliche Verantwortung ausdrücken, das Werk und die gelebte Gesinnung konnten am großen Plan des Sozialismus gleichermaßen teilhaben. Der Gegenbegriff zu dieser Idee hieß "bürgerlicher Individualismus", zu dem das "Kleine Politische Wörterbuch" feststellte: "Der Individualismus ist ein charakteristischer Zug der modernen bürgerlichen Ideologie, Sozialpsychologie und der bürgerlichen Kunst. In diesen Bereichen wird der Mensch aus seiner gesellschaftlichen Bezogenheit herausgelöst und lediglich als biologisches oder rein geistiges Wesen betrachtet ... Das Individuum steht nach diesen bürgerlichen Theorien in einem negativen Bezug zur Gesellschaft, die für die Menschen als sekundär festgelegt wird ...".38
Diese diskurstheoretisch klingenden Absagen an ein egoistisch motiviertes Individuum übergingen allerdings eine eigentümliche - der sozialistischen Ideologie geschuldete - Umkehrung der Situation. Da die Weltgeschichte die Gesellschaft gesetzmäßig auf den Sozialismus/Kommunismus zutrieb, andererseits aber die mangelhaft-disparate Wirklichkeit der Erscheinungen dagegenstand, mußte die Gesellschaft mit dem Geist der Theorie immerzu auf theoretische Wesenheiten eingeschworen werden. Der "Mensch" fiel nun - weniger in der Alltags- oder Dichtungssprache, dafür um so mehr in der theoretisch-ideologischen Wahrnehmung - immer weiter aus seiner tatsächlichen, disparaten gesellschaftlichen Bezogenheit heraus. Er unterstand hier einem diskursiven Geflecht aus normierten Theorien, die sich immer weniger mit "faktischen Vorgängen" berührten. So konnte die "Schwester in der Psychatrie", ihren "Rundhorizont" erweiternd, zugleich an einem Ort sein, "wo etwas zu tun ist" für die Gesellschaft.
Karl Corino aber lebte in einer anderen Gesellschaft mit anderen Rollenmustern. Er präferierte vor allem eine moderne westliche Perspektive der Individualitätsfindung. Vor allem für Künstler hielt sie seit Goethes "Wilhelm Meister" die individuelle Abkopplung oder Neuausdeutung von Erziehungsmustern und gesellschaftlichen Vorgaben für absolut notwendig. Der expressionistische Dissenz der Generationen hatte sich eben neuartig in der Zeit der Studentenrevolte wiederholt. Kunst und Macht, Künstler und Mächtige gehörten seit Zola und Heinrich Mann an getrennte Tische.
Darüber hinaus mußten - im Kontext der Sicht Carl Corinos - Individuum und totalitäre Gesellschaft besonders notwendig aneinandergeraten. Die Individualität wurde als ein eminent gefährdeter Selbst- und Gegenentwurf gedeutet, der vor allem auf gesellschaftspolitische Vorgaben reagierte. Je stärker diese Vorgaben eine politische Interessenübereinstimmung von Kollektiv und Individuum propagierten, desto stärker mußte der Einzelne in seinen Entscheidungen auf diesen Kontext reagieren. Biographien gerieten so in den Bann des Politischen, sie wurden als Gegen-Biographie gedeutet. Je stärker ein Staat die Individualität politisch indoktrinierte und die ihn legitimierende Theorie über alle Lebensbereiche seiner Bewohner stülpte, desto stärker war die Versuchung, alle biographischen Details als einen politischen Bejahungs- oder Verneinungsakt zu betrachten.
"Fürstenkinder" wurden dabei in einer besonderen Situation wahrgenommen. Die öffentlich behauptete Interessenübereinstimmung von Individuum und Gesellschaft sollte von ihnen schon privat anders erlebt werden. Die politische Theorie enttarnte sich in der privaten Praxis "besonders kraß" als Lügengebäude. Mehr als bei anderen mußte sich ihr privates Werden um die politische "Verlogenheit" zentrieren, sich gegen anmaßende politische Pressionen richten. Folglich war Hilfsschwester Katjas "sozialistische Nächstenliebe" ein psychischer Vorgang der politischen Abnabelung, eine private Entscheidung nicht gegen die private Mutter, sondern deren politische Rolle mitsamt ihrer "zynischen" Verlogenheit. Auch die Pflegeanstalt war kein (idealisierter) Ort der Hilfsbedürftigen, sondern ein Ort der Abgeschobenen, "Ausgemusterten, Untauglichen"39. Mit diesen Beschreibungen symbolisierte er geradezu den unüberbrückbaren Dissenz von gesellschaftlichen Zwängen und individuellen Möglichkeiten, die im Extremfall zum Wahnsinn führen konnten. Wer an seinem Staat "irre" werden mußte, der durfte auf die Idee kommen, unter den "Schizo-Omas und senile(n) Demenzen"40 "Schwestern" oder "Verwandte"41 zu finden.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der Weggang Katja Lange-Müllers lange Zeit einem Wahrnehmungsraster unterstand, das den privaten Einzelfall in ein West-Freiheit-Ost-Unfreiheit-einfaches Wahrnehmungsraster einfügte. Andrea Jäger diagnostiziert in ihrem Überblicksbuch über die Ausreisegründe von DDR-Schriftstellern, daß in der bundesrepublikanischen - einzig dafür in Frage kommenden - Literaturwissenschaft die Untersuchung der Ausreisegründe von Schriftstellern der DDR lange Zeit weniger Beachtung fand, als die "Analyse der Wirkungen, die die Übersiedlungen auf die Literaturgesellschaft der DDR zeitigten". Sie vermutet: "In der öffentlichen Diskussion über die Schriftsteller aus der DDR schien sich diese Frage lange Zeit völlig zu erübrigen und zwar deshalb, weil man sie von vornherein für beantwortet hielt. Vom Standpunkt des politischen Systemvergleichs erschien es vielen westlichen Betrachtern als eine solche Selbstverständlichkeit, daß der reale Sozialismus für ernstzunehmende Autoren eine untragbare Bedingung ihres Schaffens war, daß sich viel häufiger die umgekehrte Frage stellte, warum nämlich so viele Autoren in der DDR blieben."42
Die Untersuchung am Beispiel Katja Lange-Müllers bestätigt diese Aussage. Ihr privater Weggang wurde lange Zeit fast ausschließlich in der Dimension einer ästhetisch-politischen Absage wahrgenommen. Wer "darauf bestand, eine geschlossene Gesellschaft eben so zu beschreiben, wie die geschlossenen Abteilungen der Krankenhäuser", dem blieb "auf die Dauer nichts als die Emigration".43 Oder gab es andere Gründe?
In einem Spiegel-Artikel vom 17.11. 1986 hatte Werner Buhss, ein Freund aus DDR-Tagen, der weiterhin dort lebte, einen Aspekt der Fürstenkinderproblematik betont, der von Corino unbeachtet geblieben war. "Wie kann zum Beispiel", fragte er, "ein Schriftsteller mit dieser gerade von jenen Kindern geforderten 'höheren Disziplin' leben, geschweige denn arbeiten? Das Privileg schließt doch eine Beschränkung der uns Normalen gewährten Un-Freiheit ein."44
Diesen Aspekt schien Katja Lange-Müller in einem Gespräch mit Frank Goyke im Jahre 1990 zu streifen, als sie ihm sagte: "Ich hatte schon die ersten grauen Haare auf'm Kopp und war immer noch irgend eine Tochter. Dadurch wird ein normaler Generationskonflikt unnötig verlängert. Das habe ich immer zu spüren gekriegt, und irgendwann wollte ich ganz klar und therapeutisch - es war eher 'ne therapeutische als 'ne politische Entscheidung - ich wollte mich selber treffen ... und wollte nicht immer mit meiner Mutter verwechselt werden". Und weiter: "Wen interessiert hier eine Inge Lange? ... (D)as hat mich befreit von diesen Familienbanden, die für mich immer eher hinderlich waren, weil ich die Konventionen, die mir vielleicht zum Vorteil hätten gereichen können, von Anfang an nicht eingehalten habe."45
Die Konventionen hätten eine brave Tochter verlangt, deren Fügsamkeit mit einer "Rolle" im System entlohnt worden wäre. Der Verstoß gegen die Konvention, dieses "Ich habe den Bruch immer gesucht und gewollt. Das ist ein ganz normaler Abnabelungsprozeß."46, erscheint in der Selbstwahrnehmung zuerst als privater Vorgang.
Wie die Dimension ihres Schreibens eher fundamental existentiell, auf die Wahrnehmung innerer Süchte, Sehnsüchte, Verzweiflungen oder Ekstasen gerichtet ist, so versteht sie ihren Schritt hier eher in einer außerpolitischen Weise - als Therapie der "Seele", als Selbstsuche, als Abkehr von jener Rückversicherung, die immerzu die Enttäuschungen des Selbst mit der Täuschung einer vorgeblichen Schuld anderer Personen oder gar der Gesellschaft im ganzen erklärte. Nach der Wende kommentierte sie die grassierende Lust vieler Ostdeutscher, die DDR als Schuldige für ihre verpaßten Lebenschancen zu sehen, mit den Worten: "Damit macht man sich zum Opfer, und als Opfer ist man raus aus der Geschichte. Das ist die unglücklichste und unfruchtbarste, die tödlichste Haltung, die man einnehmen kann. Opfer sind handlungsunfähig. Im strengen Sinn des Wortes sind sie tot." Damit zusammenpassend begreift sie ihren Grenzwechsel als Weg "nicht ins Exil" - wie noch Carl Corino -, sondern "in die Therapie"47. Ins Exil gehen nur wirklich lebensbedrohte "Opfer". Die Therapie aber - vor allem in der hier vorliegenden Form der Selbsttherapie - ist ein autonomer Prozeß der Selbstvergewisserung über eigene existentielle Möglickeiten und Mängel.
Diese "private" Betrachtungsweise einer "Katjaperspektive" auf die Welt, jener gerade nicht ästhetizistische, nicht theoriegesättigte und nicht vordergründig politisierte Blick , mit dem sich die Autorin in den gesellschaftspolitischen Wirrungen zurechtfinden will, ohne die private Dimension dieser Verstrickung zu verlassen, dieses "geheime Programm" ihrer Texte, findet sich auch in (fast) allen Antworten auf das Thema der Ausreise. Ob diese Selbstdeutungen stimmen, ist uninteressant. Hier zählt allein ein Gewinn: eine Annäherung an ihre Schreibperspektive zu finden auf dem Umweg über die biographische Selbstdeutung. So wie Lange-Müller ihr Leben deutet48, deutet sie die ins Literarische transformierte Welt.
Schon im September 1986 hatte die Autorin Johanna Romberg gegenüber geäußert: "Ich hab nischt jejen die da drüben. Ick hatte bloß det Jefühl, ick vejetier am Rand meines Horizonts. Det wir uns trennen, die DDR und ich, det beruhte auf beiderseitigem Interesse."49 Am gleichen Tag erschien ein Porträt von Mira Beham, die diesen Satz Lange-Müllers wiedergab: "Der Apfel war jejessen. Ick kannte die Strecke Berlin-Prag".50 Neben der "therapeutischen" Entfernung aus dem politisch aufgeweiteten "Herr"schaftsraum der Mutter wird hier die Suche nach neuen Erfahrungen betont. Die Sehnsucht des Beatniks nach Freiraum, Ungebundenheit, Abenteuer. So jedenfalls sagte sie es ihrem Gegenüber Frank Goyke Anfang 1990: "Ich bin, glaube ich, aus Lust gegangen. Ich war lange in der Mongolei und habe gesehen, daß die Welt ziemlich groß ist. Ich gehöre eher in die Sparte der Abenteurer."51
2.3. Wahrnehmung des Schreibens
Nach der Übersiedlung und der erfolgreichen ersten Integration der Autorin in die bundesdeutsche Literaturgesellschaft52, nachdem die Leser der Zeitungskritiken und die Kritiker selbst über die bisherige Biographie der Autorin einigermaßen informiert waren, nahm das biographische Interesse ab und die Textwahrnehmung wieder zu. Darüber soll nun - Buch für Buch - zusammenfassend berichtet werden. Meine Deutungen werden sich auf die aufgefundenen Interpretationsmuster immer wieder beziehen.
Zuvor aber seien zwei Anmerkungen zur nachfolgenden Methodik gestattet.
Die oben zitierten Kritiker hatten - so könnte es scheinen - das Schreiben der Autorin in einem eigentümlichen Spannungsverhältnis zwischen einem existentiellen Pessimismus und einem "Widerstandshumor" wahrgenommen. Allerdings - und darauf bezieht sich die erste Anmerkung - unterschieden sich die Schwerpunktsetzungen natürlich erheblich voneinander und kulminierten nicht gemeinschaftlich in der eben ausgesprochenen Dualität. Während zum Beispiel der erste Kritiker - Jürgen Jacobs - den radikalen und chaotischen Ton der Verzweiflung betont hatte, ohne den ironischen Sarkasmus besonders zu erwähnen53, wurde in der nächsten großen Rezension von Beatrice Eichmann-Leutenegger gerade das - die Texte durchziehende - "(d)esolate Gelächter" hervorgehoben, jene Art, mit "Spott und Frechheiten" die Welt zu betrachten, wobei sie allerdings das Abgründige einer "Einsamkeit, die man leitmotivisch ..., versteckt unter dem Überwurf einer kessen Sprache, vermuten darf", nicht übersah.54 Die Betonungen wechselten hier mit den lebensweltlich geprägten Wahrnehmungweisen der Kritiker.
Die Metaperspektive einer Zusammenfassung läßt dies leicht vergessen. Sie soll die - teilweise divergierenden - Einsichten von Literaturkritikern zu einem Patchwork versammeln, wobei sich darin sowohl die vorherrschenden Tendenzen als auch die überzeugenden singulären Beobachtungen wiederfinden sollten. Sie soll eine Zusammenstellung der verschiedenartigen Einsichten sein - die vielleicht erst in der Zusammenschau einen spannungsreichen Kontrast bilden. Diese Metaperspektive will keinen allgemeinen Konsens abbilden, sondern unterschiedliche Wahrnehmungsschwerpunkte - dabei durchaus auch ihre Häufigkeit gewichtend - zusammentragen, nebeneinanderstellen und/oder synthetisieren.
Die zweite Anmerkung bezieht sich auf die Ausführlichkeit der Darstellung. Das Anliegen der folgenden Zusammenfassungen ist nicht allein die Präsentation eines haltbaren Interpretationsüberblicks (dessen Synthese von Extremen der Autor inhaltlich zustimmt), der als Deutungshintergrund für eigene Interpretationszusätze fungiert und zugleich mit der Untersuchung von Wahrnehmungsrastern der Rezensenten verbunden wird, sondern gleichermaßen die konzentrierte Darbietung eines Überblicks über den Inhalt und die Form der Texte Lange-Müllers. Dadurch sollen die eigenen Untersuchungen inhaltlicher und formaler Aspekte nachvollziehbarer werden. Aus diesem Grund wird die Fabel des zweiten und dritten Buches der Autorin wiedergegeben, wobei in einem Fall fremde Zusammenfassungen zitiert werden konnten, um die Wahrnehmungsraster der Rezensenten deutlich hervortreten zu lassen. Das erste Buch mit seiner Vielzahl von Texten entzog sich diesem Vorgehen. Hier werden vorerst nur die am häufigsten besprochenen Texte genauer betrachtet.
2.3.1.
"Wehleid - wie im Leben"
Obwohl schon einige Wahrnehmungen über das erste Buch von Katja Lange-Müller im Zusammenhang mit den Ausreisedeutungen und der Bachmann-Preisverleihung mitgeteilt wurden, soll im folgenden ausführlich auf die wiederkehrenden Muster bei den Textdeutungen eingegangen werden.
Als die 130seitige Erzählungssammlung "Wehleid - wie im Leben" im März 1986 erschien, wurde sie zumeist als ein typischer Erstling wahrgenommen, mit dem über die ganze bisherige Arbeit Auskunft gegeben werden sollte. Das Buch sei ein "pointenreiches Sammelsurium spannender Texte"55, hieß es, mit einer "gezielten Beschränkung auf kleinere Prosaformen"56. Unterteilt "in ein Gefüge von römisch I bis III" stelle die Autorin in diesem "Kaleidoskop von Formen, Farben und Fiktionen ... Impressionen, Hirngespinste, Reminiszenzen und Traumgesichte" nebeneinander, aber auch "Prosagedichte, wie im Halbschlaf verfaßt", bei denen "Sinne und Gedanken flüssig ineinander-strömen"57.
In dieser Textsammlung kleiner Prosaformen wurde eine Vielzahl von Textsorten entdeckt. Man fand einen "häufigen Wechsel in der Erzählhaltung", weil "die Autorin ... spielerisch probierend ... verfährt"58. "Es ist die Ausnahme, wenn sich eine Erzählform wiederholt. Die Erzählungen klingen mal nach Märchen oder Traum oder Science-fiction, dann geben sie sich als Brief, Beobachtung, Selbstbetrachtung."59. Allerdings seien sie in ihrer Reihenfolge und dem Bezug aufeinander gefügt "wie ein Mobile, aus dem sich kein Teil heraustrennen läßt, ohne die Balance des Ganzen zu zerstören." Dabei werde "eine Erzählung ... durch eine spätere hochgerissen und verständlich."60 Diese Reverenz an die perfekte Kunstfertigkeit der Komposition ist allerdings die Ausnahme. Eher nimmt man das Buch als eine Art Kaleidoskop"61 oder "Stimmprobe"62. Lange-Müller selbst sprach in einem Interview von Texten "wie Kraut und Rüben"63 .
Eine besondere theoretische Beachtung fanden vor allem die "verstörenden, sich nicht an Konventionen absichernden Texte" des mit römisch II überschriebenen Mittelteils der Sammlung. Diese "Prosa-Gedichte"64 seien nicht einfach einer jugendlich-übermütigen antikonventionellen Experimentierfreude zuzuschreiben, vielmehr - so vor allem Irro - stehe Lange-Müller im Kontext einer allgemeinen Erscheinung in der jungen DDR-deutschen Literaturszene. "Experimentierfreudig mit Wörtern, Bildern, Tönen umgehend, gleichermaßen die realistisch beschreibende wie die fiktionalisierende Arbeit mit Sprache unterlaufend", arbeite im anderen deutschen Staat eine Generation daran - "und darauf kommt es vielleicht vor allem an -, sich eines neuen (erneuerten wie wiedergefundenen) Selbstbewußtseins zu vergewissern".65 Noch war der Begriff "Prenzlauer-Berg-Connection" nicht geprägt, aber die dortige Literatur durch die Veröffentlichung von "Berührung ist nur eine Randerscheinung"66 war schon bemerkt worden.
Um das Unkonventionelle in diesen Texten Lange-Müllers den Lesern näherzubringen, sprach zum Beispiel Irro von einer teilweise "verweigerten Sinnführung: ... das Material der Wahrnehmung wie dessen sinnstiftende Anordnung (beim Sehen, Denken, Schreiben...) werden in (ver)fremde(te) Gestalt"67 gebracht. Hervorgehoben wurden auch die Vorbilder der Autorin, vor allem der von Lange-Müller selbst benannte russiche Futurist Velemir Chlebnikow ("himmel - warum ist der keusche velemir chlebnikow nicht mehr vorsitzender des erdballs."68) sowie Jakob van Hoddis69.
Aufmerksam betrachtete man die sprachlichen Mittel dieser Verfremdungsarbeit. Man attestierte der Autorin unter anderem ein "kindliches Verhältnis zur Sprache", eine "dissoziative Lakonie und Gleichschaltung von Klang und Sinn, Inhalt und Rythmus", wobei die Autorin die Sprache behandele wie "ein Musikinstrument, bei dem aus Tönen sich immer neue Themen ergeben." Sie arbeite mit einer "bitterböse(n) Etymologie ('seele = sääle voll gähnender leere)'"70 Vor allem im experimentellen - mittleren - Teil des Buches "lösen sich die Sätze auf. Zertrümmerte Sätze, Wortsplitter füllen die Seiten".71 Überall verbinde sie "Gassen- und Hochsprache" , überall könnten "Subjekt und Objekt ihren angestammten Platz einbüßen ... ('Immer fahren die Landschaften anderswohin als man selbst')". Weiterhin liebe sie "die Paradoxe und das Zeugma ('Dann waren vierzig Millionen Menschen das Leben los und die übrigen fast alles übrige')"72 oder sie verwende erfindungsreiche "eigenwillig-präzise Adjektiva zum Beispiel: 'sarglang', 'unkrautschwanger' oder 'blindlinkisch' 73.
Auf die Erzählhaltung eingehend, wurde besonders die verstörende skeptische Direktheit und die Offenheit gegen sich selbt betont. Corino sprach von der "geheime(n), sozusagen Bachmannsche(n) Lust ..., das eigene Bett zum Scheiterhaufen zu machen". Die Autorin "entblößt sich mitunter sehr weit, gewährt der psychologischen , psychoanalytischen Betrachtung tiefe Blicke". In diesem Zusammenhang deutete er auch einen Teil ihrer experimentellen Texte, bei denen die Autorin "gelegentlich Verfahren anwendet, die aus der Therapie geläufig sind, die der freien Assoziation zum Beispiel".74
Der skeptische Blick auf sich selbst, der auch "traurig"75 oder "melancholisch"76 genannt wurde, gehöre aber einer Frau, die den "Schmerz(,) der sich ausdrückt, hinter der Grimasse des feixenden Witzes" verstecke. Es sei "der Witz jenes Lebenskünstlers, der sich am eigenen Zopf aus dem Sumpf zieht"77. Bei ihr stünden sich "Sentiment und Ironie"78 gegenüber, "Spott und die Ironie der Autorin erweisen sich als sublimierte Trauer"79.
Der gleiche Rezensent lieferte hierzu eine Deutung besonderer Art. Heimo Schwilk nämlich gefiel an dem lakonisch harten, existentiellen Realismus und den expressiven sprachspielerischen "Prosa-Gedichten" die Wiederentdeckung von "Wahrheiten ... , die von einer sozialromantischen Literatur jahrzehntelang zerschwätzt worden sind: Hegels 'unglückliches Bewußtsein' zum Beispiel, das linke Exegese immer so schön unter den dialektischen Teppich gekehrt hatte. Oder Gottfried Benns existentiell erfahrene 'mythenalte Fremdheit zwischen Ich und Welt.'"80 Die Autorin stehe für eine "Betroffenheit, die Sprache wird und nicht ideologische Verlautbarung". Jenseits dieser81 Verlautbarungsliteratur fand er in den Texten der Autorin "Sinnlichkeit , die sich wenig schert um politische Relevanz"82.
Da er ausdrücklich auf den (vordergründig)83 politischsten aller Texte - auf "Lebenslauf" - hinwies, konnte er eine politische Abstinenz oder ein kunstverliebtes elitär-privatisierendes Desinteresse an der gesellschaftlichen Welt nicht gemeint haben. Was aber meinte er? Offenbar gefiel ihm die Spannung zwischen genauer Beschreibung eines Zustandes des Verstricktseins in eine "feind-selige" Welt und der darob nicht verlorenen leidenschaftlichen Lebensfreude. Ihm gefiel wohl , daß die Autorin sich an dieser Welt "abarbeitete" und nicht mit einem politisch gegründeten Helferkomplex ihren Abgründen auswich. Ihm gefiel, daß sie "in den Pflegeanstalten bei den debilen Alten ... mehr sein will als Pflegerin, 'Schwester' nämlich im schönen Sinn des Wortes. Im Käfig des Zuhauses, stellvertretend für unser aller Einsamkeit."84
Schließlich wurde auch der völlig unpathetische Schreibgestus der Autorin erwähnt. Johanna Romberg jedenfalls vermerkte eine Distanz zu großen Worten. "Es gibt Worte, die sie nur mit spitzen Fingern ergreift und dann voller Widerwillen fallen läßt. 'Schönheit! Kunsterziehung! Das Große Glück.'"85
Am Ende sei noch auf die am häufigsten bedachten Texte des Bandes ein gegangen.
Besonders gelobt und ausführlicher zitiert wurden drei Texte: "Manchmal kommt der Tod auf Latschen"86 sowie "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann87 und "Lebenslauf"88. Die Texte, läßt sich vermuten, galten offenbar als gelungene Archetypen im Raster der Wahrnehmungsmuster: Der erste stand für die autobiographisch inspirierten, betont lebensnahen, am einzelnen Lebensschicksal - mit seinen existentiellen Verwerfungen - orientierten, genau beobachteten Momentaufnahmen. Die Rezension der beiden anderen Texte - die in ihrer politischen Direktheit eigentlich singulär blieben - sollten die politische Wachheit einer 'flüchtigen' deutsch-deutschen Schriftstellerin andeuten.
"Manchmal kommt der Tod auf Latschen"89 erzählte in sarkastischer Drastik die Geschichte eines Tages in der "geropsychatrischen Frauenstation"90, vom mechanischen "Abtöpfen" der verwirrten Insassinnen, vom Tod des eigenwilligen Sannchens, von den absurden Gedanken der Leichenwäscherin Bärbel bei den bürokratischen Leichenbeseitigungsritualen, von der Verteilung des übriggebliebenen Eigentums ("Taschenspiegel, Pferdeschwanz ..."), vom Ersatz der Toten durch den neuaufgenommenen "Zugang" und schließlich von der zaghaft fordernden Übernahme der neuen "Latschen" - Einheitsgröße 40 - durch den "parkinsonverkrümmten"91 Zugang, der nur deshalb das ungetragene Schuhwerk bekommt, weil das übliche Weiterreichen der Schuhe von den Verstorbenen auf "die nächste Sterbekandidatin" immer dann aufhört, wenn diese mehr als "das sechste oder siebente Mal vor jenem Lager gestanden (haben) , von dem sich keiner mehr erholt"92.
Gelobt wurde von den Rezensenten - neben der sprachlichen Qualität - vor allem die Wahl des Themas. Die Autorin wage sich an die Beschreibung des Gewöhnlichen, sie zeige den "Alltag einer Hilfsschwester ... in einer abgeschriebenen Welt"93. "Die Psychostation ... rückt einem ganz nahe, nie abstoßend, sondern anrührend ..."94 Die Autorin erlaube "tiefe Einblicke in das Schein-Leben hinter den Mauern der geschlossenen Abteilungen" weil sie - ein kleiner Seitenhieb auf die Lesetrips von Schriftstellern in Gefängnisse oder Altenheime - die "bedauernswerten Kreaturen nicht nur gelegentlich besucht, ihnen vorgelesen, für sie geschrieben" hat, sondern weil sie tiefer in ihr Leben eingedrungen sei: "sie hat sie gefüttert, getränkt, gewaschen, abgetöpft, umgebettet, sehenden Auges, hörenden Ohrs, fühlender Hand, und das gibt Texten ... eine große sinnliche Dichte bis dicht an die Schmerz- und Ekelgrenze"95. Die sinnliche Authentizität - folgt man den Kritikern - entspringe der realen Kenntnis einer Lebenswirklichkeit, einem Blick für die Lebensabgründe auch im "beschädigsten" Leben und der plastischen sprachlichen Umsetzung einer außermoralischen Nähe zum Einzelnen.
De r ebenso häufig zitierte Text "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann (Eine schrecklich sentimentale Geschichte)"96 war dagegen eine politsatirische Erfindung, ein Phantasiestück über den Umgang mit der deutschen Teilungsmisere: "Es waren zwei Königskinder, die hatten einander so lieb. Die Brücke ward ihnen gestohlen. Es suchte auch keiner den Dieb."97
Der Text beschrieb eine UNO-Tagung, die sich mit der Palästinafrage beschäftigt, erzählt aus der Perspektive der DDR-deutschen Delegierten Katja L. Ein Vertreter Burundis greift plötzlich den "überaus konstruktiven Vorschlag" der DDR-deutschen Delegierten auf , "zwei Fliegen mit einer Klappe" zu schlagen, nämlich "die Auflösung der gesamten Deutschen Nation und die Räumung der Territorien beider deutscher Staaten zugunsten des seiner Heimat verlustig gegangenen Palästinensischen Volkes"98 zu beschließen. Mit einigem Entsetzen hört sie dann im Aufwachen den entgültigen Beschluß aller UNO-Staaten (dem "mit Ausnahme des Vertreters der Bundesrepublik Deutschland" alle zugestimmt haben), der nicht nur die Auflösung der "Deutschen Nation" proklamiert und zugleich bestimmt, daß die "Angehörigen beider deutscher Staaten (), proportional zu Bevölkerungsdichte und territorialer Ausdehnung, in sämtliche Länder der Erde umgesiedelt" werden, sondern auf Vorschlag des Vertreters aus Burundi auch festlegt, daß "alle Länder der Erde entweder nur deutsche Männer aufnehmen oder nur deutsche Frauen". Mit diesem Zusatz soll gesichert werden, daß sich die so verteilten " organisch in die ihnen gewiesene Nation integrieren", damit "unsere Welt einfürallemal geheilt bleibt vom Krebsgeschwür der deutschen Nation".99 Plötzlich muß die Delegierte Katja L. an ihre "männlichen Freunde in Berlin" denken, an die Zwangstrennung von ihrem Liebsten und schließlich möchte sie nur noch "Schlafen und nicht mehr aufwachen, träumen und nie mehr aufhören zu träumen, von Deutschland."100
Daß der Text, geschrieben im Ton einer "doppeldeutschen Hirn-Herz-Zerissenheit"101 den Kritikern beim Blick auf eine deutsch-deutsche Schriftstellerin besonders auffiel, verwundert nicht. "Man mag in dieser 'schrecklich sentimentalen Geschichte' ... Katja Lange-Müllers Versuch erblicken, schreibend und damit objektivierend den eigenen Staatenwechsel ertragen zu lernen"102, schrieb Beatrice Eichmann-Leutenegger. Allerdings wurde der Text mehr zitiert als kommentiert.103 Die Zitate verwiesen mit der Autorin auf die Absurdität der Teilung und auf die Abhängigkeit des einzelnen realen Lebens von politischen Zusammenhängen. Mitunter scheint auch eine Freude an der Eigenart des gnadenlosen Blickes auf den deutschen Umgang mit dem eigenen "Schicksal" die Zitate motiviert zu haben: einem Blick auf das Selbstmitleid der Betroffenen, auf die westlichen feiertäglichen Einheitsbeschwörungen oder die offiziellen östlichen Problemverleugnungen.
Auf den dritten Text, der besonders bedacht wurde, sei hier nur noch kurz eingegangen. Auch "Lebenslauf" verband einen politischen Kontext mit einem elementaren Vorgang. Der Text, der mit den Worten endete: 'Wie ein Regenwurm, ein Embryo, lag ich vor denen, die mich weggeworfen hatten. Ich hörte noch, wie sie angelaufen kamen, die moosgrünen Hebammen mit ihren rasiermesserscharfen Skalpellen, um mich abzuschneiden von Mutter Erde. Jetzt bin ich tot."104, wurde aber gleichfalls wenig kommentiert, sein Inhalt schien für sich zu stehen. Bemerkenswert ist hier vor allem die Tatsache, daß er zusammen mit dem anderen "politischen" Text überhaupt eine solche Aufmerksamkeit erfuhr.105
2.3.2. "Kasper Mauser - Die Feigheit vorm Freund"
Die aufmerksame Aufnahme der zweiten größeren Veröffentlichung Katja Lange-Müllers, einer rund 85 Seiten schmalen Erzählung mit dem Namen "Kasper Mauser - Die Feigheit vorm Freund", war durch die Kenntnis jener vier Kapitel vorbereitet, die der Autorin den Ingeborg-Bachmann-Preis eingebracht hatten.
Die damalige - übrigens zum besonders aufmerksamkeitsheischenden zehnten Mal vergebene - Auszeichnung der "munterste(n) der 24 Wettlesenden"106 war allgemein begrüßt worden. Der Jury-Vorsitzende Marcel Reich-Ranicki hatte ihr "einen plebejeschen Humor gegen die ... Herrschenden" attestiert, mit dem die Autorin "an eine gute und lange vernachlässigte Tradition auf ganz selbständige Art"107 angeknüpft habe. Ihr Text wurde mit "konkret und kodderschnäuzig-humorvoll auf publikumswirksame Weise"108 beschrieben, und "nach all den abstrakten Schreibproben ..., nach der Rollenprosa und der parasitären Second-Hand-Literatur wurde ihr origineller Auftritt als überaus erfrischend empfunden"109. Mira Beham sah in Lange-Müllers Text sogar enthusiastisch-erwartungsvoll ein "Zeichen der Hoffnung, ein Startsignal für die fällige Rekonvaleszenz der gegenwärtig maroden und dahinsiechenden deutschsprachigen Literatur - eine entsprechende Sogwirkung (Lektoren und Verleger, aufgehorcht!) könnte diese Entscheidung kraft der Bedeutung des Ingeborg- Bachmann-Preises für den Literaturbetrieb schon haben."110
Ihren nun vorliegenden kompletten Text hatte die Autorin mit programmatischen Worten eingeleitet: "Dies ist die Geschichte, vielmehr - und damit viel weniger - das sollen werden die Geschichten von Amigo Amica, alias Kasper Mauser, Anna Nass, auch die Trampel-Muse Kaspers, und ihrer fernen Freundin Rosa Extra, drei Kreaturen, welche das ihnen gemeinsame - nennen wir es einmal wie die Ärtzte - "Verwahrlosungssyndrom" - auf ganz unterschiedliche Weise veräußerlichen"111.
Betrachtet man nun die Lesarten des Textes, treten zwei Wahrnehmungsvarianten deutlich hervor. Beide Muster lassen sich am augenfälligsten durch eine ausführliche Wiedergabe von jeweils einer markanten Fabelzusammenfassung verdeutlichen.
"Drei Figuren stolpern", begann Eva Pfister ihre - sich durch kritische Distanz zum Buch von den meist wohlwollenden Darlegungen unterscheidende - Zusammenfassung, "meist besoffen durch die Geschichte: Anna Nass, Amigo Amica - die beiden Übersiedler von Ost nach West - und die zurückgelassene Rosa Extra. Anna Nass zeichnet sich außer durchs Trinken auch durch einen übermäßigen Hang zum Heulen aus; sie geht ihrer Umgebung oft auf die Nerven. Früher auch ihrer sehnsüchtig geliebten Freundin Rosa Extra, die nun im Osten ebenfalls allein mit der 'sauber getrennten' Freundschaft fertig werden muß. Anna Nass hängt ihr Herz an einen schweigsamen, geheimnisvollen Mann, von dem sie nicht mehr weiß, als das er Bananen mag. Diese schleppt sie ihm kiloweise herbei, und trotzdem ist er eines Tages verschwunden. Er ist nämlich Amigo Amica, alias Kasper Mauser. Er hat seine Federn abgeschüttelt und sich zum Kasper (Hauser) gemausert; das heißt: Er hat seine Identität aufgegeben, seine Papiere verbrannt und aufgehört zu sprechen. Während Anna Nass ihm bei Batterien von Aquavit-Flaschen nachtrauert, endet er fröhlich gelassen als Penner."112 Ergänzt wurde die Zusammenfassung der "erschreckend traurig(en)", wiewohl "kunst- und humorvoll konstruiert(en)", Erzählung mit ihrer "triefenden Katerstimmung" durch die Angabe eines zentralen Themas: "Es geht um die Befindlichkeit von 'Überläufern'"113. Oder - mit anderen gesprochen - es gehe um die "Absurdität des Wechsels"114, vorgetragen in einer "rhapsodische(n) Abschieds- und Ankunftselegie"115
Allgemeiner gesagt: Diese Rezensentengruppe fokussierte den Blick auf die Übersiedlungsproblematik. "Wie viele andere Autoren arbeitet Katja Lange- Müller an ihrer DDR-Herkunft"116, vermerkte in diesem Sinne ein Kritiker. Für diesen Teil der Rezensenten schien ihr Text vor allem eine Ost-West-Überläufer-Groteske zu sein, die Einblick gab in das Innere einer speziellen Gruppe von deutsch-deutschen Randfiguren. Abschied und Ankunft, Weggehen, Fern- oder Heimweh, Trennungsangst, das Festhalten am anderen gegen jedes äußere Ungemach, das Festhalten am Ähnlichen in der "Fremde" - alles bekam seinen erfüllenden Sinn vor allem in den Worten "Systemwechsel" oder "Überläufer".
Eine deutlich andere Schwerpunktsetzung zeigt dagegen die Fabelzusammenfassung von Gisela Bartens. "Wie leben mit dem 'Verlierersyndrom'? Aber auch wie schreiben?", fragte sie. Und sie antwortete mit ihren Beobachtungen: "Mehrstimmig natürlich. Im grotesken Sprechtrio der fein säuberlich durch die Mauer getrennten siamesischen Zwillinge Anna Nass, der 'Unabhängigen Autonomen Republik Anna', deren 'drüben' gebliebener 'Busenfeindin' und Herzensfreundin Rosa Extra sowie 'Amica', ebenfalls Wechselgänger aus dem Osten. Der, 'ein ge- und vermauserter Hauser am Fuße des 20. Jahrhunderts', das 'schöne Max Frisch'sche Ding' dreht, 'idento-infiziert' eine neue Haut überzuziehen und vor den fremden Verhältnissen einfach Sprechen und Schreiben verweigert. Nicht aber Nahrung, Matratze und Freundschaft Annas, seiner 'Trampel-Muse', die ihn bald wieder verliert; aber wie die Autorin Ambivalenzen liebt und wie alle anderen stets 'in Bewegung', 'vorm Fliehn auf der Flucht' die 'ambivalenteste aller Grundfragen' stellt, nämlich 'nach dem Unterschied 'zwischen Heimweh und Fernweh'. Allmählich kristallisiert sich aus 'melancholerischen' Zuständen und syndromatischen Verstörungen und Ver-Wahrlosungen der Lebensdilettanten, scheiternd an versuchter Nähe, nur eines heraus: die fortschreitende Entwurzelung und Entfremdung des Menschen"117 Oder anders gesprochen: "(D)rei 'Kreaturen' führen Steigerungsformen eines seelischen Zustandes vor, den man als Entfremdung, Entwurzelung, Heimatverlust bezeichnen könnte".118
Und wieder verallgemeinert: Diesen Rezensenten erschien das gleiche Stück Literatur als "Existential-Groteske"119 oder als "Groteske der Entwurzelung"120 schlechthin. Sie lasen einen Text, der mit Camus, Sartre oder Kafka nach modernen Formen von Lebens-Befindlichkeiten fragte und nach verbindlich-verbindenden menschlichen Abgründen. Sie sahen über den konkreten Anlaß des Schreibens und die konkrete Sujetwahl hinweg oder - besser - sie nahmen die gegebenen authentischen Erfahrungen und Handlungsorte sowie die historischen Kontexte als eine kunstvoll dargebotene Versinnlichung von Handlungsmustern wahr, die sich vielfach, vielorts und im Schatten bürgerlicher Identitätsbilder zu vielen Zeiten immer neu reproduzieren.
Ob im begrenzten Kontext der Ost-West-Übersiedlung oder in existentieller Aufweitung - die Frage nach Heimat, nach einer äußeren oder inneren Heimat, wurde an Hand des Textes gleichermaßen häufig bedacht. "Es gibt keinen Plural von 'Heimat, wer die seine verloren oder verlassen hat, vermag bestenfalls neue Wurzeln zu schlagen: wahrscheinlicher indess, dass er stolpert über alte, die andere in die Erde getrieben"121 haben, vermerkte zum Beispiel Peter Haffner.
Auch die - konkrete oder allgemeine - Sehnsucht nach einem System=Identitätswechsel wurde häufig an Hand des Textes problematisiert, allerdings meist zugleich die Vergeblichkeit einer solchen Hoffnung attestiert. Die Figuren der Erzählung "sehen sich mit der existentialistischen Freiheit, sich selbst (und gleichzeitig eine Heimat) zu wählen, mit dem Kierkegaardschen Entweder-Oder' konfrontiert. ... Wenn sie mit sich selbst übereinstimmten, würde sich das Sehnen nach anderen Orten von selbst erledigen"122. So aber seien am Ende "die Figuren weder im Osten zuhause, noch im Westen. Beim Versuch der Grenzüberschreitung landen sie im Niemandsland."123
Bei ihren Untersuchungen zur sprachlichen Präsentation dieser Erzählung der Grenzüberschreitung fielen den Rezensenten wieder eine Vielzahl von Einzelheiten auf, die aber diesmal mehrfach ausführlich mit dem Nachdenken über die Gründe der wortspielerisch-subversiven Sprachverwendung verbunden wurden.
"danach, wo Seh- und Denkgewohnheiten, Autorität und Ideologie sich verfestigt haben, setzt Katja Lange-Müllers Sprache ihre Sprengpatronen an"124, hieß es bei Walter Hinck. Die Sprache selbst werde "zum Indikator der widersinnigen (politischen, d.A.) Situation". Dem inhaltlichen Anarchismus und der Verweigerung einer linearen Fabel als Reflex auf den "Irrwitz der Zustände" wurde nach Hinck also eine Sprache zugesellt, die durch ihre Eigenarten am Aufbrechen diskursiv verfestigter Wahrnehmungsmuster teilhatte. "Das kann mit einem Buchstabentausch beginnen und an dadaistischen Buchstabensalat erinnern: 'Mappi und Pammi', um dann in 'Erich Hornickel' und Schwilli Woof' zur Verdrehung zu werden. ... In die Sprechblasen der Parteiparolen hineinzustechen, reizt doch mehr. Das Funktionärsdeutsch verheddert sich und stolpert bei der 'abschaumtiefen Sumpfgrube des 'Imperiums Klapptalismus'." Ihr Repertoire umfasse "den Jargon wie den Küchenlieder- und Budikenton, das Wortspiel wie die literarische Anspielung oder den parodistischen Zungenschlag, den Nonsens wie die Betrunkenenpoesie". Mit dem Buch habe "die Familie um Kurt Schwitters' 'Anna Blume' und Joachim Ringelnatz' 'Kuddel Daddeldu' Zuwachs bekommen"125.
Dieser dadaistische, die Sprechgewohnheiten verflüssigende, diskurskritisch-irrwitzige Tanz "auf einem Ball 'Verkehrt' der Wörter"126 wurde - mit erheblicher Bewunderung - von vielen Rezensenten immer wieder neu umschrieben. Sie entdeckten "(b)ösartige Kalauer ... aus simpler lautschriftlicher Schreibweise", zum Beispiel, indem die Autorin "Kasper, den Liebhaber falscher Orthographie, statt 'Existenz' 'Ächzistenz' buchstabieren läßt". Man fand eine "Lust an der ungewollten Doppeldeutigkeit und dem Kitsch volkstümlicher Sinnsprüche oder deutschen Liedgutes"127 oder man entdeckte "Anagramme und lautsprachliche Neuschöpfungen", die "die Worte ebenso verblüffend beim Wort" nähmen, "wie Bruchstücke von Abzählversen, Sprichwörtern, Gedichten und Schlagern den allmählichen Verfertigern der Gedanken beim Reden ins Herz schauen"128 ließen.
Peter Haffner sah in den Wortspielen mit der Sprache, "die selbst da Purzelbäume schlägt, wo der Absturz droht", weniger eine diskurskorrigierende Wahrnehmungskritik am Werk, als eine Selbstversicherung und Identitätsbeschwörung. Die Autorin träte als Souveränin der Sprache auf. "In der zerstückelten und wieder neu zusammengebastelten Sprache glänzt dann eine Art tröstliche Versicherung, daß letztlich, wenn auch nur notdürftig, vielleicht sogar die zerstückelte Persönlichkeit wieder zusammengebastelt werden könnte."129
Dem gern gehörten Argument, sprachspielende Autoren entflöhen dem Leben in die vertraute Heimat der Sprache, in dem sie wahre Könige sein könnten, widersprach Mira Beham mit den Worten: "So wenig wie der Westen ist für Katja Lange-Müller die Sprache ein Zufluchtsort, der Schutz und Geborgenheit bietet. Sprache ist vielmehr - wie die eigene Identität, das Leben selbst - ein vielfach ambivalentes Phänomen. ... Durch Wortspiele, Brüche im Satzgefüge, Parodien oder doppelsinnig ausgearbeitete Satzinhalte werden Bedeutungen relativiert, um deren eigentlichen Sinn genauer zu erfassen."130 Letzteres Urteil erscheint allerdings als ein Widerspruch in sich. Die Spracharbeit kann wohl den verfestigten "Tunnelblick" auf vorherrschende Bedeutungen aufweiten, sie kann wohl vergessene, verdrängte oder unentdeckte Nebenbedeutungen vermitteln, aber sie kann niemals einen "eigentlichen", letzten Sinn in den Bedeutungen von Worten oder Sätzen "erfassen".
Am Ende dieses Überblicks soll noch Maxim Biller erwähnt werden, dessen singuläre Extremposition zwar ungerecht aber interessant ist, weil sie mit ihrer Schärfe zeigt, wie im Jahre 1988 ein ideologiekritischer Abstand zur "deutschen Frage" selbst ideologisch werden konnte.
In bekannt deftiger Art, als Don Quichotte auf deutschkritischem Sonderweg, attackierte er Lange-Müller mit einem131 Verriß. Im provokanten Bestreben, alle unausgesprochenen, verheimlichten, selbstauferlegten deutschen Seelenkrusten von beschränkten deutschen Hirnen herabzureißen, eröffnete er seine heftigen Vorhaltungen mit den Worten: "Dieses Land bleibt ein Land des Gemüts".132 Den "Wahrheitsfreunden" erklärte er: "Gemüt ist nichts anderes als extreme Larmoyanz, gepaart mit patriotischer Mystik und dem fehlenden Sinn für Humor. Es ist all das Verworrene, Depressive, Schwere, das wir bei Wim Wenders finden und bei Richard Wagner ... und auch bei Blixa Bargeld".
Sodann ging er daran, Lange-Müller in diese illustre Gesellschaft einzugliedern. Ihr Buch nämlich sei "ein prächtiges Beispiel dafür, daß der Weltschmerz, der dem deutschen Gemüt entspringt, niemals neue Wege eröffnen kann, sondern immer geradewegs in eine dumpfe Vergangenheit führt". Die Hauptfiguren sind "(d)rei DDR-Menschen ... von denen zwei den Absprung in den Westen schaffen, wo sie noch trübsinniger werden, als sie es vorher, in ihrer kleinkarierten Heimat, schon waren." Die beiden Freundinnen Anna und Rosa sind ihm "der von brutalem Stacheldraht zerrissene deutsche Mensch". Noch schlimmer aber: die Autorin "hat hinter diesem ganzen düsteren Heimatschmerzkitsch noch ein paar weitere teutsche Ideologietupfer versteckt". Denn Amica, der "Spezialist im national-verklärten Trübsalblasen ..., erträgt eines Tages die Trauer über sein erniedrigtes Vaterland nicht mehr und beschließt, sich zu erhängen. Herrgott, wieviel Weltschmerz." Er zieht es dann aber vor, in den Westen zu gehen, um dort - mit den von Biller zitierten Worten Lange-Müllers gesprochen - "'wort- ja sprachlos wie weiland Casper Hauser'" zu leben, um "'die Unperson, die jeder ist - in solcher Lage -, auch gänzlich zu sein und zu bleiben: nicht Bürger des einen, nicht Bürger des anderen (Deutsch)landes, gar kein Bürger, nicht einmal staatenlos...'"133 Kommentar Biller: "Albern, aber wahr: Amica nimmt die Probleme seiner zerrütteten Nation wirklich ernst; er opfert sich für sie auf. ... Er lädt sich die 'Unmenschlichkeit' der Teilung auf seine schwachen Schultern. ... Er ist eine didaktische Kopfgeburt". Sein Fazit: Es ist eine "sehr unauffällige, sensible Deutschtümelei, die revanchistische Forderung nach Wiedervereinigung, die sich mit tiefen, leidenschaftlichen Gemütstönen mischt."134
Biller hätte wohl eine Schreibbeschränkung für autobiographisch veranlagte oder ihre "Heimatlosigkeit" bedenkende, ehemalige ostdeutsche Autoren aussprechen müssen, um die deutsch-deutsche "Problematik" aus deren Büchern zu verbannen. Er hätte ein "Gemüts"verbot oder Gefühlsverbot für solcherart Schreibende proklamieren sollen, demnach Schriftsteller sich nicht zu orientieren haben am Leitfaden erinnerter Emotionen. Und er hätte wohl hinzufügen können, daß Autoren doch bitte niemals die abgesteckten Gehege des öffentlichen Diskurses mit seinen Rollenverteilungen zu verlassen hätten, sondern sich abfinden müßten mit den ideologischen Zuweisungen: nur Revanchisten "leiden" öffentlich an der Landesteilung, nur deutschtümelnde leidenschaftliche Romantiker erinnern öffentlich die menschliche Dimension des Politischen und nur Naive könnten diese Rollenverteilung ignorieren..
2.3.3. Stadtschreiberin in Bergen-Enkheim
Nach den Rezensionen zu ihrem zweiten Buch wurde es in der öffentlichen Wahrnehmung still um die Autorin. Abgesehen von drei Kolumnen in "Theater heute"135 und einigen kleineren Veröffentlichungen in Tageszeitungen, Literaturzeitschriften oder Textsammlungen, war in den Jahren bis zum Erscheinen ihres dritten Buches kein größerer Text erschienen136 und folglich auch weder Rezensionen noch etwa Gespräche. Abgesehen von einzelnen Lesungsberichten fand das Leben der Autorin in den Jahren bis 1995 jenseits öffentlicher Wahrnehmungen statt.
Die einzige Ausnahme bildeten einige Veröffentlichungen im August und September 1989, die aber in keinem direkten Zusammenhang mit den aktuellen politischen Entwicklungen standen, sondern mit der "Amtsübernahme" des Auszeichnungspostens der Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim bei Frankfurt am Main. Erwähnenswert ist diese kleine Episode vor allem wegen einer biographischen Wahrnehmungsirritation, die einiges über den Rückschluß von Texten auf Biographien verrät. Der exemplarische Fall deutet an, wie bei dem Konstrukt "Schriftstellerbiographie" die Ordnung eines Lebens im Kontext der formalen oder inhaltlichen Schreibgewohnheiten entsteht. Insofern sollten nicht nur Texte (auch) vor dem Hintergrund der Biographien untersucht werden, sondern ebenso die Rückwirkung der Texte auf die Wahrnehmung und Darstellung der Biographien selbst.
Die Frankfurter Rundschau hatte ihren Berlin-Korrespondenten Otto Jörg Weis angeblich mit Lange-Müller vor ihrer Fahrt nach Bergen-Enkheim sprechen lassen und vermeldet, die Autorin freue sich auch deshalb über diesen - unter anderem mit einem einjährigen Wohnrecht im Stadtschreiberhaus in Bergen verbundenen - Preis, weil die "hartnäckig unangepaßte" Autorin sich die letzten Jahre nicht nur "(m)ehr schlecht als recht mit Sozialhilfe und Aushilfsjobs ... durchgehangelt" habe, sondern nun auch ihre "kleine einzimmrige Sozialwohnung im Wedding" verlassen könne. Neben dem Artikel war ein Foto plaziert worden, auf dem die Autorin "provozierend, wie sie ist - mit der Lieblingsratte auf der Schulter"137 und mit skeptischem Blick zu sehen war.
Alles paßte so schön in das Bild von der aufgedrehten "Berliner Type" mit ihrer expressiven Sprache und ihrem Interesse an Randexistenzen. Aber einige Tage später erfuhren die Leser der gleichen Zeitung, wie schnell sich dieses Bild eines Menschen für den Leser ändern kann. Sie bekamen nun zu hören, daß der zuvor beauftragte Journalist "eine angesehene Tageszeitung aus Süddeutschland zitiert" hatte, "die sich anscheinend aber auch geirrt" habe. Die Autorin sei ganz "außer sich". "'Das mit der Einzimmersozialwohnung', schimpft sie, 'und dann dazu das Bild mit der Ratte, das muß ja den Eindruck erweckt haben, als ob ich aus dem Rinnstein käme.'" Abgeschlossen wurde der neue Artikel mit einer versöhnlichen Vorstadtidylle: die "Freundin" Eva Demski - die vorjährige Ausgezeichnete - biegt um die Ecke, man sitzt in der Stadtbäckerei, "der Pflaumenkuchen schmeckt wie immer gut, und der Kaffee riecht verführerisch."138 Neben dem Artikel sah man beide Frauen auf einem Foto, wobei Katja Lange-Müller nun wie eine selbstbewußte, modisch gekleidete, lachend-herausfordernde Frau erschien.
Erst im Frühjahr 1995 kam mit "Verfrühte Tierliebe", einer 140seitigen, zweiteiligen Erzählung, das dritte Buch der Autorin auf den Buchmarkt. Das Buch enthielt zwei aufeinander bezogene Texte. Der etwas längere erste Text "Käfer" erzählte - ohne Vorspiel einen Zeitraum von etwa 13 Monaten umfassend - aus der Sicht eines jungen Mädchens der 8. und 9. Klasse sowie im Rückblick der gewordenen Frau vom "Erwachen der (weiblichen) Sexualität" und der "Einsamkeit beim Erwachsenwerden."139
In diesem Text vergnügt sich die anfänglich 13jährige Ich-Figur, ein Stadtkind, mit biologischen Betrachtungen an allerlei Getier, etwa an dem Verhalten der Schulratten und vor allem kleinerer Insekten, wie zum Beispiel von Fliegen und Goldafterraupen, wobei sie erstere in ihre Bestandteile zerlegt und "die Beine zu den Beinen, die Flügel zu den Flügeln , auf ... verschiedenfarbig bemalte Zigarilloskistchen der Sorte 'Sprachlos"140 verteilt und die letzteren zur Beobachtung in Korkengefängnisse einsperrt. Eines Tages erscheint der zoologische Wanderprediger Bisalzki in der Schule, der einer staunenden Schülerschar allerlei konserviertes Getier vorführt, aber auch - als "Trüffelstück"141 - eine lebende Anakonda. Nun ist es um die phantasievolle Naturforscherin und -bastlerin geschehen: sie läßt sich das mythenbesetzte Schlangentier als einzige um den Hals legen. Einige Zeit später lädt derselbe Bisalzki das Mädchen zur Insektenjagd in den Wald und damit zu ihrem "erste(n) Rendezvous mit einem mannartigen Wesen"142. Sie versagt kläglich in ihrem schicken Kleid zwischen dem Gestrüpp: als sie auf Anweisung einen Baum schüttelt und Rosenkäfer auf ihren Körper herabregnen, wirft sie sich schreiend zu Boden, bis sich mit rotem Gesicht Bisalzki über sie beugt, in seine Hose greift, einen S-Bahn-Fahrschein hervorzieht und sie fortschickt. Doch einige Monate später erbt sie seine ordentliche Sammlung militärisch ausgerichteter, aufgespießter Käfer, die sie aber "in überdrehter Schöpferstimmung"143 umgehend verändert, indem sie einzelne Exemplare zerlegt, ummontiert und neu bemalt und sie dem angehimmelten Biologielehrer als ihre Entdeckungen und als heimliches Liebesgeschenk präsentiert. Konsequenz: Wegen "Verrat an der Wissenschaft"144 wird die rebellische Schülerin vor der Klasse bloßgestellt, beleidigt und mit einem strengen Verweis belegt. Die Herabgewürdigte greift sich ihre Kreaturen, stürmt aus der Schule, in den Park , wo sie die Käfer ausstreut und erleben muß, daß selbst eine anfänglich interessierte Krähe ihre Produkte der Selbstfindung nicht für eßbar hält und kopfschüttelnd fortfliegt.
Im Unterschied zur Betrachtung des vorigen Buches waren die differierenden Wahrnehmungsmuster der Rezensenten diesmal anders gruppiert. Der Schwerpunkt der Unterschiede gründete eher auf der mehrfach anderen Wahrnehmung eines zentralen Themas des Textes und nicht so sehr in der unterschiedlichen - verallgemeinernden oder engen - Wertung der gemeinsam erkannten zentralen Themen - der Grenzüberschreitung oder des Landes-Heimats-Ortswechsels - , wie sie die Rezensionen zu "Kasper Mauser" kennzeichneten. Als Hauptgrund läßt sich der komplexere Inhalt anführen, der eine unterschiedliche Wahrnehmung der Schwerpunkte erst ermöglichte. Zudem kamen nun gleichermaßen Kritiker aus Ost und West zu Wort, ein Umstand, der die Wahrnehmung von Zentralthemen sicher beeinflußte, dem allerdings ohne Kenntnis der Rezensentenbiographien nicht genauer nachgegangen werden konnte.
Neben den Unterschieden lassen sich aber auch Gemeinsamkeiten im Wahrnehmungsverhalten auffinden. Zwar verläuft die Grenze nicht sehr abrupt, aber wieder finden sich die mehr an den Abgründen der lebensweltlich existentiellen Individualitätsentwicklung Interessierten neben denen, die verstärkt die individuellen Wirkungen der konkreten gesellschaftlichen DDR-Realität auf eine Lebensgeschichte wahrnahmen. Allerdings: die Übergänge sind hier fließend.
Den ersteren lieferte der erste Teiltext vor allem ein "Psycho- und Physiogramm der Pubertät, dem jede Sentimentalität abgeht"145. In dieser Sicht auf eine "Geschichte zoologisch-erotischer Irrungen und Wirrungen", die vor allem "die vorpubertäre Sexualität zwischen Angst, Neugier und Sadismus"146 darstelle, trat die Ich-Erzählerin mit "hysterischen Verrenkungen, einem traumatischen Urerlebnis zwischen sexueller Anziehung und körperlichem Unwohlsein (gemeint ist die Rosenkäferszene, d.A.) in den Zustand der Geschlechtsreife ein."147 Einer anderen Deutung nach geschah dies sogar vorher: "Mit der Schlange um den Körper wird das Mädchen zur Frau, aber das Paradies ist damit auch schon gänzlich verloren."148
Dieser Text "vom Erwachsenwerden eines Mädchens, das seine eigene Körperlichkeit begreift und behaupten muß neben der von Männern"149, dieser Entwicklungsabschnitt im Leben eines jungen Mädchens mit dem "gesamten psychischen und körperlichen Prozeß des Frühlingserwachens", werde dabei so "genau in Beschreibung und Handlung umgesetzt", daß sich die Autorin "jeden Hinweis auf innere Vorgänge sparen kann". Die "unruhig wuchernde Bewegung" dieser Lebensphase werde allein durch den Einsatz von "Syntax, Metaphorik und szenischer Dramaturgie" erreicht: "(A)usgsprochen wird nichts, weder in psychischer Introspektion noch in der Reflexion. Sie drängt und wühlt in der Gestalt, sagen wir: dem Körper des Textes selbst."150
Die Wahl des besonderen Sujets der ersten Geschichte wurde vor diesem Hintergrund mit psychoanalytischem Gespür - allerdings auch naturalistisch - am interessantesten von Meike Fessmann bedacht. Sie verwies auf die Evolution, die sich "für das weibliche Geschlecht ... eine kleine Besonderheit einfallen lassen" habe: "die heftig ausbrechende Tierliebe als Ankündigung der bevorstehenden Geschlechtsreife". Diese "Übertragungsliebe", die hier so merkwürdigen Tieren gilt und die für Außenstehende eine Art "special effect" sei, ist " für die Betroffenen jedoch grausam ernst"151. Oder mit anderen Worten: Der Text behandele, "auf hübsch erheiterten Wegen ...(,) furchtbar ernste Dinge", es gehe in ihm "um die Hilflosigkeit und Fremdheit zwischen den Geschlechtern" und "um die Pein und die Peinlichkeiten des Körpers."152
Im Unterschied dazu wurde der erste Teiltext von anderen Rezensenten stärker vor dem Hintergrund der DDR-Realität betrachtet. "Daß das alles in der DDR spielt, ist vermutlich kein Zufall: Denn was auch an Bildern existentieller Verlorenheit auf die grundsätzliche Disposition des Menschen verweist, ist auch - unverkennbar - Ausdruck der besonderen Zustände des untergegangenen Staates"153
Schon die erste Geschichte zeige diese typische "Enge und Verdruckstheit, autoritäres Gehabe und Kleinkariertheit, ein den Körper bedrängendes und entstellendes , schwüles soziales Klima."154. In diesem Sinne zeige der Text vor allem die "Verstrickung einer pubertierenden Mädchenwelt mit dem verworren-autoritären Verhalten realsozialistischer Bürokraten"155 und die "Enge des DDR-Alltags, in der sich das Erwachsenwerden für ein junges Mädchen als einsames Spießrutenlaufen darstellt. Kein Wunder, daß in diesem Staat - in dem jeder Winkel bürokratisch ausgemessen wurde - auch die für ein Mädchen äußerst verwirrenden Veränderungen des Körpers neue Probleme schaffen."156 Worin diese besonderen Probleme liegen könnten, wurde allerdings nur indirekt angedeutet. Die Phänomene der Natur - und damit wird auf die Käferexperimente verwiesen, aber eine Ergänzung um den natürlichen Vorgang der Geschlechtsreife läßt sich auch denken - erfahre die Protagonistin in dieser "Kinderverwahranstalt" "auf eine seltsam perverse Art, als Material, das ... analysiert wird, ohne daß sie einmal den organischen Zusammenhang alles Vitalen hätte erleben dürfen", so daß sie "(n)ichts von jener gewinnenden Sinnlichkeit, die Neugierde und Faszination weckt"157, erfahren konnte. Die Schülerin als rationales Neutrum, ohne sinnlichen Anstoß, mit vielen Fragen, die sie nicht stellen kann, weil sie nicht auf sie vorbereitet wurde, montiert mit ihren Käfern zugleich ihren kreativ "trotzigen Entdeckergeist"158 wider die trockene und beengende Monotonie der DDR-Erwachsenenwelt. Die Begegnung mit der Schlange wurde dementsprechend auch völlig jenseits einer ersten unterschwelligen sexuellen Faszination gedeutet: nämlich als Begegnung mit dem Leben selbst: "Da begegnet das Mädchen ohne Angst dem Tier und spürte gleich, daß die Schlange 'atmete und voller Leben war.'"159
Als gemeinsames Kennzeichen dieser Interpretationen kann der Versuch gelten, einen Deutungsansatz für beide Teilgeschichten zugleich zu finden. Die Pubertät und der Kaufhauszwischenfall einige Jahre später wurden so gleichermaßen zum konkreten Blick in den DDR-Alltag eines verträumten, unangepaßt-naiven Mädchens und der später erwachsenen Frau. Dies entsprach im übrigen auch den Intentionen der Autorin selbst, die in einem Interview von zwei gescheiterten "Anpassungs- und Selbstbehauptungsversuchen der Heldin" gesprochen hat und von der "Eskalation des Widerstandes gegen die Macht, der aus einem gescheiterten Opportunismus kommt, dem Versuch, so zu sein wie die anderen, nicht aufzufallen und an der Macht der Privilegierten, wenn schon nicht teilhaben, so doch wenigstens ... mit ihr spielen zu können."160
Wie sah nun dieses Spiel mit der Macht im zweiten Teil aus?
Der zweite Text "Servus" beschreibt die Ereignisse eines Nachmittags, der Nacht und des frühen Morgens, die der gleichen - nun etwa zwanzigjährigen weiblichen Hauptperson beim Weg zur Arbeit im Druckkombinat widerfahren. Sie, wegen "versuchtem Biologielehrer-Betrugs" mit "Abiturverbot" belegt und mit ihrer abgebrochenen Friseurlehre eine ziemlich "rückläufige Kaderentwicklung"161, steckt tief in Gedanken zwei Päckchen Kerzen ein und wird vom Kaufhausdetektiv - einem in "Unehren" entlassenen ehemaligen Armeeoffizier mit dem Drang nach diensteifriger Bewährung - geschnappt . Da sie vorher schon zwei Mal erwischt worden war, droht ihr ein juristisches Verfahren und in der Folge die Entlassung aus der, das "staatliche Zentralorgan" herstellenden, Druckerei. Ihre Selbstrettungsversuche beginnen beim funktional eingesetzten tränenreichen Betteln, gefolgt von dem unmißverständlichen sexuellen Angebot zur Befriedigung einer unterstellten männlichen Erwartung und enden in der Einwilligung in eine "Leibesvisitation" durch ein berechtigtes weibliches Wesen - weil diese eine Voraussetzung für die mögliche Strafminderung ist. Der Ablauf dieser "Leibesvisitation" ist schnell nacherzählt: die "Täterin" wartet, "ohne Zigaretten nackt in eine Scheißhauszelle gesperrt"162, auf die Rückgabe ihrer Sachen, während ihres panikbegleiteten Wartemartyriums in dem Männerklo onaniert ein Mann nebenan, es wird Nacht und früher Morgen, schließlich klettert sie in die freie Eiseskälte, wird von den Putzfrauen entdeckt, sie erbittet eine Schürze, die ihr verweigert wird, die Polizei wird informiert, sie wird zum Verhör gefahren und bekommt einen Uniformmantel, später eine Gerichtsverhandlung , dann offenbar eine Entlassung und am Ende einen Arbeitsplatz "im Glühlampenwerk am Fließband"163. Sie sucht noch vergeblich den Kaufhausdetektiv164 und beendet ihre Erinnerungen mit einem Zeitsprung in die Gegenwart, als sie "ganz andere Möglichkeiten gehabt hätte", den Detektiv zu suchen, aber "es ... vorzog, mich zu erinnern und ihn auf diesem Wege endlich zu vergessen".165
Nach Meinung vieler Rezensenten erreichte der zweite Teil - in dem das "Bedeutungsnetz ... grobmaschiger" und "die Sinnbezüge ... deutlicher" ausgeführt waren - "nicht mehr das ganz große Format der kleinen ersten" Geschichte166, obwohl auch die gegenteilige Meinung vorkam, etwa in dem Lob der Gestaltung des Kaufhausdetektives: "er trägt alle Züge eines Melancholikers, und sein Porträt ist der Höhepunkt der Erzählungen".167
Wahrscheinlich als Folge der aufgefundenen qualitativen Differenz lassen sich kaum isolierte Deutungen für die zweite Teilgeschichte finden. Wenn interpretiert wurde, dann trat die - sich allerdings deutlich aufdrängende - starke Wahrnehmung der Gesellschaftskritik in den Vordergrund. In der zweiten Geschichte seien nun die "leisen Anklänge der Gesellschaftskritik unüberhör-bar"168, wofür vor allem die politisch besetzte Gegenfigur sorgte, jener gescheiterte Offizier, der sich wichtig nahm wie "Grenzschutz und Minister in einem" und als so "undurchsichtig" erschien "wie eine durchcodierte Stasiakte".169 Die mit dem nackten Ausgeliefertsein der Protagonistin verbundene "Scham wird hier über das individuelle Malheur hinaus zur zentralen Metapher für eine Gesellschaft, die ihre eigene Identität nie zu stabilisieren vermochte"170, und in der nackten "Flucht aus dem knastartigen Kaufhaus" würden "DDR-Zeiten symbolisch emailliert"171.
Damit aber sind die sich allein auf den zweiten Text fokussierenden Aussagen aus 22 Rezensionen erschöpfend zitiert. Alle anderen Wertungen bezogen sich auf den ersten Text allein oder aber auf beide Texte zusammen. Letzteres entsprach der allgemeinen Wahrnehmung einer Textzusammengehörigkeit, ausgedrückt unter anderem in dem Vergleich, beide Geschichten seien "zwei Sätze eines einzigen Musikstücks ..., die dieselben Themen entfalten".172
Eine Untersuchung der Wahrnehmung dieser gemeinsamen Themen führt zur Wiederbegegnung mit den vorhin angesprochenen - allerdings eben sehr fließend auftretenden - Wahrnehmungsmuster.
Die thematische Klammer der Texte wurde von den einen in der - allerdings auch gesellschaftlich tangierten - Darstellung der "Pein und ... Peinlichkeiten des (sexuellen, d.A.) Körpers" entdeckt. Wo der erste Teil die ersten fragilen und verwirrenden pubertären Sexualitätsausbrüche beschrieb , führe der zweite Textteil die "Regionen einer Erwachsenensexualität" vor, "wo Lockung und Täuschung herrschen, wo Bürokratie und List und Trieb sich bekämpfen und verbinden"173. Diese "Demütigung in zwei Variationen"174 war in diesem Kontext eine männliche Demütigung des Körpers selbst, veranlaßt durch die Zurückweisung pubertärer Wünsche und durch die Entblößung der erwachsenen Frau. Diese Perspektive, mit dem Blick auf die Macht der Männer und die Ohnmacht der Frau, wurde mehrfach in Worte gefaßt. "Der Alptraum ist die Macht. Immer geht die Macht von einem Mann aus"175, hieß es bei Sabine Peters. "Die Protagonistin hat es bis auf wenige Ausnahmen mit einer Männerwelt zu tun, die ihrer pubertären Neugier - auch im eigentlichen Wortsinn - Nackenschläge entgegensetzt. Unter diesem Aspekt läßt sich der Buchtitel auf die Erfahrungen mit Männern beziehen"176, meinte Eva Kaufmann. Und: "Diese Männer sezieren, entindividualisieren und töten alles, was lebt. Doch den Widerspruchsgeist der Erzählerin töten sie nicht. Die Bachmann-Preisträgerin rechnet in ihrer Novelle mit den großen und kleinen Tyrannen ab, die sie verbiegen wollten"177
Ein anderer Wahrnehmungsschwerpunkt fand sich bei jenen, die sich mehr für die Darstellung der gesellschaftlichen Realitäten der DDR und für deren Auswirkungen auf Individuen interessierten. Obwohl "das Wort DDR in dem ganzen Büchlein nicht vorkommt", zeige sich in der "Dramaturgie der Bagatellensteigerung ins Schicksalhafte" deutlich das "absurde() Theater des sozialistischen Apparats".178 So gesehen gehe es in den Texten vorrangig um "Zensur, Behördenwahn und Instrumentalisierung"179 und um einen langsamen "Abschied von Illusionen und Hoffnungen".180 Der Autorin sei es gelungen, "ihre Beobachtungen der DDR zu einem ... suggestiven Bild von absurder Komik, Scham, Erniedrigung und unterschwelliger Angst zu verdichten"181 .
Ein wahrgenommener thematischer Schwerpunkt läßt sich im übrigen nicht eindeutig einem der beiden Interpretationskonstrukte zuordnen. Denn das vielfach bedachte Thema der "Vergangenheitsbewältigung"182 - ein "Enttraumatisieren durch Erinnern" - , ein befreiender Vorgang, der zugleich "die Lust des Erfindens nur noch beflügelt"183 hatte, konnte sowohl gegen die DDR-typischen Traumatisierungen als auch gegen die internalisierten Körperbeklemmungen gerichtet sein. Angemerkt wurde hierbei, daß der Text das Geschehen zwischen der Ich-Erzählerin und ihren Widersachern nicht auf einen "Schuldzusammenhang" oder auf ein "Täter-Opfer-Schema"184 reduziere. Oder in den Worten der Autorin selbst: "Ich wollte kein Buch über die DDR schreiben, um mit der Vergangenheit abzurechnen, was ja jetzt sehr opportun ist, sondern über das allgemeine Prinzip menschlicher Anpassung (dem sich das Individuum selbst ja mehr oder weniger verantwortlich ausliefert, d.A.), (über) das Bedürfnis, mitzumachen, dabeizusein. Und wie dieser animalische Drang scheitert durch Übereifer oder falsche Veranlagung. Auch aus geschlechtlichen Gründen. Als Frau kann man nicht auf der Männerebene mitspielen, ohne die Grenzen des Spiels zu akzeptieren."185
Erheblich größere Schwierigkeiten als bei der vorigen Veröffentlichung, wo schon auf dem Titelblatt von einer "Erzählung" die Rede gewesen war, bereitete den Kritikern diesmal die Frage um die Textsorte. Das Buch, "dem zurecht die Gattungsbezeichnung fehlt", sei einerseits "(n)icht Roman, nicht Erzählung", andererseits "mehr als eine Miniatur", letzlich jedoch "melancholische Ereignisprosa".186 Wo der eine den Text als eine "subtile Parabel verhinderter Lebensmöglichkeiten"187 beschrieb, fand ein anderer zwei disparate Teile "um jeweils eine, in klassischer Novellentradition 'unerhörte Begebenheit"188 gruppiert. Wieder ein anderer entdeckte eine "Erfahrung als Groteske"189, während die nächste eine Komödie gelesen hatte: "Von Bagatellen gehen die Geschichten aus. Ihre Handlungen berichten davon, wie aus unbedeutenden Kleinigkeiten Schicksalswendungen werden. Solche dramatischen Steigerungen sind klassische Fälle der Komödie."190
Einige Aufmerksamkeit erfuhr auch eine markante Änderung im Textbau mit seiner - im Unterschied zum vorigen Buch stehenden - Hinwendung zur Linearität. Lange-Müller sprach im Text von einer "Alptraumgirlande aus geradezu absurd logisch sich ineinanderfügenden Widersprüchen".191 Die Linearität konnte so unter anderem eine formale Entsprechung der schon erwähnten fortlaufenden "Dramaturgie der Bagatellensteigerung ins Schicksalhafte"192 sein. Das Absurde der Vorgänge wäre durch die Linearität als geschlossenes "Wahn-" oder "Schicksals"gebäude gekennzeichnet, mit all seinen inneren, "stabilen", hierarchischen Über- und Unterordnungen, das durch die Ich-Erzählerin nach und nach wahrgenommen und ausgeschritten wurde. Trotz dieser linearen Ordnung werde aber auch in diesem Text das "Anarchische" weiter "in die literarische Pflicht genommen. Sie mischt ständig die Sicht des Kindes, das die Erzählerin einmal war, mit der Perspektive der gebannt Zurückblickenden."193 In diesem meist unauffälligen "Wechsel von Nähe und größerem Abstand nistet Melancholie"194
Weniger Aufmerksamkeit als in den vorigen Rezensionen wurde der Eigenart der Sprache geschenkt - wahrscheinlich, weil die Autorin diesmal weder dadaistische Purzelbäume drehte, noch mit sich vordrängenden Worterfindungen oder lautsprachlichen Neuschöpfungen aufwartete. Vielmehr fand sich nun eine "geschliffene, von allen artistischen Spielereien gereinigte und nun zuweilen in lange Satzperioden ausufernde Sprache"195. Die Wahl dieser "unaufdringlichen Sprache"196 hatte nach Ansicht einiger Kritiker mit der im Text selbst geäußerten Hoffnung der Autorin zu tun, die schon erwähnte Alptraumgirlande ließe sich "entknoten, zerpflücken und sortieren zu einzelnen Sinnelementen, die ich im Gedächnis aufbewahren und später mit kaltem Interesse betrachten könnte"197. Genau so verfahre die Autorin: "Sie seziert und analysiert mit unglaublich kalter Präzision, zeichnet die Verläufe hyperexakt nach und erreicht damit eine mitunter fulminante Deskription"198. Dabei sei die "komplexe und manchmal aseptisch wirkende Sprache" zwar einigen Gefahren ausgesetzt199, aber die Autorin vermeide den "klinischen Eindruck" letztlich dadurch, daß sie sich "immer wieder zurückholt, zurück auf den Boden der derben Tatsachen", die sie mit einem "Schülertonfall" oder in "schnoddrige(m) Berliner Ton"vortrage.200
Wolfgang Emmerich hat in seiner "Kleinen Literaturgeschichte der DDR" die Autorin Katja Lange-Müller - "die vielleicht begabteste Sprachfeuerwerkerin unter den jungen Prosaautoren"201- jenen Schriftstellern zugeordnet, denen "der Riß in ihrer Biographie, der Aufeinanderprall von Erfahrungen aus beiden deutschen Staaten, zum vorläufig bestimmenden, offenbar bis auf weiteres unausweichlichen Thema wurde"202. Zugleich gehöre sie zu jener nach 1981 in die Bundesrepublik gekommenen Gruppe von jungen Autoren, "bei denen nur eine schwache oder gar keine Bindung an das politische System der DDR bestand". Die Lebensverläufe dieser Autoren seien "weniger mit den Identifikationsangeboten dieses Staates verwachsen"203 gewesen als die der älteren ausgereisten Schriftsteller, welche "den Zielsetzungen des Staates DDR, meistens auch der SED, jedenfalls aber dem Projekt Sozialismus über einen längeren Zeitraum eng verbunden waren" und die mit ihrer herangereiften "(sozialistischen) oppositionellen Haltung"204 nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns ihren Weggang in die Bundesrepublik nun vielfach als Weg ins "Exil" verstanden.205
Unter der Überschrift "Politikverweigerung" hat erst unlängst Andrea Jäger den Weggang der jungen Autoren und Autorinnen aus der DDR - eingeschlossen Katja Lange-Müller - in ganz ähnlicher Weise bedacht. "Hineingeboren" in die DDR, "ohne ein moralisches Verhältnis zu den sozialistischen Idealen"206 zu entwickeln, hätten die jungen Autoren nicht mehr als "Anwälte der Realisierung der sozialistischen Utopie"207 zur Verfügung gestanden. Im besonderen Fall Katja Lange-Müller merkte sie zusätzlich an, daß diese prinzipiell den Willen angegriffen habe, gesellschaftliche Verhältnisse mit utopischen Gegenentwürfen zu begegnen, weil von "der Formulierung solcher Utopien ... eine zerstörerische Wirkung auf das Individuum ausgehe()"208. In diesem Sinne hatte Lange-Müller selbst in einem Interview Religionsvertretern sowie den Anhängern des Marxismus und der Psychoanalyse vorgeworfen, sie gingen immerzu davon aus, "daß das Seiende Scheiße ist. Was ist, zählt nicht, und das größte Gefühl - Verliebtheit oder 'Ich hab was geschafft' - wird dir weggenommen, weil du immerfort mit der Anforderung konfrontiert wirst, die entweder Paradies heißt oder Kommunismus oder Gesundheit.... Das kann man dem Menschen, der nur seine siebzig Jahre zur Verfügung hat, nicht immerfort zumuten."209
Der gemeinsame Ausgangspunkt beider Einordnungen - die Einbindung der Autorin in die Gruppe derer, die sich für sozialistische Utopien nicht mehr interessiert und deshalb ohne besondere politische Bindungen an die DDR in ihr gelebt hatten und deren literarische Arbeiten keinem unmittelbar politisch-moralischen Gegendiskurs wider die realsozialistischen Ideologieträger und Wertesetzer verpflichtet waren - wurde wohl von vielen Rezensenten geteilt. Da aber das Wahrnehmungsraster vielfach nahelegte, jeden Weggang aus der "unfreien" DDR als Flucht und jede Flucht in die "Freiheit" als Protest zu deuten, wurden die Texte der Autorin auf eine andere Art Gegendiskurs hin untersucht.210 So fand man in ihnen, was sicher (auch) in sie eingeschrieben war: die Texte mit ihrer "dadaistischen Schreibweise" in den Sprachspielen , mit ihrer expressiven Direktheit, mit ihrer lebensnahen Utopieverweigerung und ihrem Interesse am unteren Rand der Gesellschaft waren eine ins Ästhetische und Thematische übersetzte politische Absage an die DDR.
Diese Wahrnehmungsweise hatte häufig zur Folge, daß die Texte vor allem als eine stetige Auseinandersetzung mit dem verlassenen Staat211 und der neuen Situation in der nahen "Fremde"212 betrachtet wurden. Dieses Wahrnehmungsraster ließ die Rezensenten vor allem den politisch-"öffentlichen" Gehalt in der Themenwahl aufspüren: mit der schriftlichen Vergegenwärtigung oder Erinnerung an die DDR - statt an einen bestimmten Friedhof, eine bestimmte psychatrische Klinik, eine bestimmte Schule mit einem bestimmten Direktor - sollten danach vor allem die Bedrängungen und Verletzungen des DDR-Staates aufgearbeit werden. Die private Perspektive war hier der politisch-"öffentlichen" Perspektive im Raster der Ost-West-Teilung unterstellt und die kollektiven Beschädigungen überwölbten die des einzelnen privaten Lebens.
Dagegen stand die verstärkte Wahrnehmung der Texte als lakonische private Lebensdramen, die vor allem von Verliebtsein und Rausch, "Wehleid", Einsamkeit, emotionaler Ausgeliefertheit oder der privat menschlichen Dimension von Begegnungen, Begeisterungen, Abhängigkeiten, Unterordnungen oder Trennungen handelten. In dieser Sicht waren die literarischen Anstrengungen der Autorin weniger auf die Darstellung DDR-deutscher Eigenarten als auf die Vergegenwärtigung einzelner Lebensmomente gerichtet. Mit diesem Wahrnehmungsraster betrachtet, war die Phantasie eher eine menschliche Form der Selbstbehauptung als eine politische Protestbewegung, der Alkohol war eine Droge der Selbstvergessenheit und nicht der "Gesellschaftsvergessenheit" und die psychischen Energien der Textprotagonisten richteten sich weniger gegen das realsozialistische Establishment als gegen sich selbst oder gegen mitmenschliche oder mitmännliche Anmutungen.
Fairerweise muß am Ende hinzugefügt werden, daß viele jener Rezensenten, die für die Wahrnehmung der "privaten" Bedrängungen besonders sensibilisiert waren, in ihren Untersuchungen häufig auch den politischen Kontext bedachten Das polare Wahrnehmungsraster wurde so zu einem bipolaren Wahrnehmungsmodell. Dieser Herangehensweise will sich der Autor dieser Zeilen ausdrücklich anschließen.
3. Ein poetisches Konzept und seine Anwendung
Poetiken zu liefern, ist für einen Schreibenden immer ein heikles Spiel. Benutzt wird wohl meist ein Verfahren empirischer Befragung eigener Texte, mit dem Ziel, Verallgemeinerungen zu finden, die sich als Schnittpunkte zwischen den unterschiedlichen Texten auffinden lassen. Niederschreiben aber bedeutet auch Festschreiben, ein Umstand, dem Schreibende lieber ausweichen sollten. Zudem erscheint der Schreibende oft klüger als er ist: als folge er in seinen Texten dieser Poetologie wie einem Bauplan.
In dem Band "Tendenz Freisprache. Texte zu einer Poetik der achtziger Jahre" sind die "Poetiken" von 31 Autoren enthalten, die auf Initiative und Bitte der Herausgeber entstanden. Nach ihrer Meinung dokumentieren die Texte einen "Einschnitt: der Abschied vom Ich ist eingetreten. Keiner der Autoren erklärt sich qua Geniestreich zum Gesamtkunstwerk, keiner klamaukt sich zum Gott seiner paar hundert Seiten."213 Mit Foucault in der Tasche wird als eine Erkenntnis benannt: "Der Autor ist im Text verschwunden; das Ich ist tot, ist Sprachmasse geworden." An die Stelle des exorzierten autochthonen Autors sei die "Solidarität der Einzelstimmen"214 getreten. Das "solipsistische Ich der siebziger Jahre" sei leise geworden und habe sich "auf den Du-Aspekt verschoben. Jeweils eigen sinnieren die vorliegenden Texte über das Thema Intersubjektivität"215.
Eine dieser Einzelstimmen im Versuch des "Erkenne dich selbst" gehörte Katja Lange-Müller. Unter der Überschrift "Ein Hang zum Brühwürfel" beginnt ihr Text mit einem Nachdenken über den ersten Satz, der genau jene Ich-Unsicherheit reflektiert, die von den Herausgebern als zeittypisch herausgestellt worden war.
Mit einem "Über mein Schreiben soll ich was schreiben", setzt der Text ein. Sogleich aber macht sie ihren Lesern klar, daß dem scheinbar flapsig-spontanen Satz, der eine naive Selbstbefragung anzukündigen scheint, ein inneres Abwägen vorangegangen ist. Denn, heißt es nun, "intuitiv, also 'normalerweise', begänne ich so: "Ich soll was über mein Schreiben schreiben..."216 Ihre Variante von Anfang erklärt sie mit einer sogleich beantworteten Frage: "Aber kann das erste Wort 'ich' heißen..."?217
Eine leichte Verschiebung des Wortes "ich" um vier Stellen wird hier benutzt, um eine ich-kritische Ausgangsposition anzudeuten. Die Bedeutung als Abweichung aber konnte erst die nachfolgende Aussage ("intuitiv, also normalerweise...") aufzeigen, die dem poetologischen Text angemessen scheint. Worüber man mangels Erklärung in den literarischen Texten hinweggehen würde, erweist sich durch die poetologische Selbstdeutung als jene "Naivität zweiten Grades" und zugleich als Leseanleitung für ihre Literatur. Katja Lange-Müllers Textanfang "offenbart" ein Grundprinzip ihrer Schreibeigenart: Scheinbar naive Formulierungen folgen häufig einer Vor- oder Parallelgeschichte des Nachdenkens - ihre Texte sind "Konglomerate aus Erlebtem, Gehörtem und Erdachtem"218, das aber nicht ausgestellt werden soll. Die Ergebnisse des Nachdenkens finden sich in den sinnlichen Texten selbst, der rationale Vorgang wird in das "Leben eines Textes" überführt. Und schließlich wird noch ein Verwirrspiel getrieben - ob unfreiwillig oder sich selbst durchschauend, soll hier nicht festgeschrieben werden - wenn die Autorin ihren Textanfang damit kommentiert, eines ihrer "Hauptprobleme" sei: "Ich finde keinen Anfang. Was dazu führt, daß ich mit immer neuen Anfängen beginne. Ich habe schon drei Klemmappen voll Anfänge fertig."219
Was aber hat die Autorin gegen das Ich als erstem Wort vorzubringen? Scheinbar "Bescheidenheit, die mir meine Er- und Großzieher, überhaupt alle meine Charakterbildner, eingezogen haben als Korsettstange , die ich akzeptiere ... weil sie mich so gerade hält. Oder hält sie mich gerade so?"220 Das diese akzeptierte Korsettstange der Erziehung zur Bescheidenheit mit Gewalttätigkeiten verbunden ist, hatte schon die Zusammenfassung und Rezeption von "Käfer" angedeutet, im vorliegenden früheren Text wird sie noch mit der sprachspielerischen Formulierung umschrieben, "bei 'großgezogen' sehe ich mich im dunklen Kino sitzen, den Kopf eines weißen Gummibärchens zwischen den Zähnen, zwischen den Fingernägeln sein Fußende"221.
Kann ein Verweis auf jene angedeutete Konzeption des "Kollektivs" oder eines mit der "Muttermilch" verabreichten Modells, die Gesellschaft sei alles, das Ich aber nichts oder höchstens ein Repräsentant gesellschaftlicher Grundkräfte, für eine Deutung dieser Bescheidenheit nützlich sein? Wahrscheinlich wird die Tochter einer hohen SED-Funktionärin von einem solchen vulgärmarxistischen Erziehungsmodell betroffen worden sein. Vielleicht auch gründet die "Bescheidenheit", an erster Stelle Ich zu sagen, in einer Art skeptischer Selbstbezweiflung des Ichs, weil es seine Korsettstangen-Form in der fremdgeleiteten Hinführung auf die Akzeptanz diskursiver Vorgaben annimmt: von Werten und Wünschen und Hierarchien oder von vorgeformten Erlebnissen, während seine Authentizität häufig nur ein einzelnes Nacherleben verbreiteter Glücks- oder Unglücksgeschehnisse ist. Dieses "gerade so" gehalten werden verweist aber auch auf die Anwesenheit einer Leerstelle, die mit sich auszufüllen ist und verweist damit zugleich auf den Abstand der Autorin zu der These, daß das "Ich" obsolet sei, eine bloße Fiktion bürgerlicher Identitätspropaganda, ein Spielball des Unbewußten, eine verantwortungsfreie Marionette eines geschichtlichen Gesetzes222 oder ein Nachstammler von sich selbst schreibenden Herrschaftsdiskursen. Scheinbar ganz im Gegensatz zur Bescheidenheit, an erster Stelle ich zu sagen, hatte sich die Autorin in einem Interview als "die unabhängige autonome Republik Katja Lange-Müller", beschrieben, mit sich als einzigem "Einwohner", worin sie zugleich "mein Präsident" und "meine Nationalflagge"223 sei.
Eines jedenfalls kann hier schon abgeleitet werden: der Autorin geht es nicht zuletzt um Fragen zum Ich, um die Verheißungen der Ich-Anpassung etwa, jenem bescheidenem Opportunismus, der darauf aus ist, sich von den eingezogenen Korsettstangen tragen zu lassen und den quälenden Folgen224, es geht ihr um das Räderwerk von geschichtlichen Situationen oder lebensweltlicher Umständen, denen ein Ich nicht ausweichen und in denen der Einzelne sowohl Spielball als auch Handelnder sein kann225.
Eingedenk der behaupteten Schwierigkeiten mit dem Anfang kann die Autorin nach einer halben Seite neu ansetzen. Nun beschreibt sie sich als eine Art Wortgourmet: "Eine Poetik verfassen?! Welch eine Aufgabe!? - Ich höre so gern auf die Wörter, versuche sie zu verstehen."226 Das "Belauschen" der Worte, die Technik, die Worte aus ihrem konventionellen Gebrauch zu lösen, um die Konventionalität von Sprache präsent zu halten und den Worten durch ein Spiel mit den Konventionen neue Bedeutungen zu entlocken227, gestattet sich die Autorin auch in diesem kurzen Text. Die eben erwähnte "Aufgabe" läßt sie so an ein "Seinlassen oder mit der Post (aufgeben)" denken. "Es gibt Leute, die wollen eine Aufgabe auch lösen. Wie denn? Ist sie ein Gürtel. Doch vielleicht soll man sich von ihr lösen?"228
Sich Lösen von einem einzigen Wortsinn oder das Hervorarbeiten eingelassener Konnotationen - beides geht über eine bloße Sprachspielerei hinaus. Sprachmuster oder Sprachklischees sind der Autorin "Beibiegungen zu vernünftigem Deutsch"229 und damit eine Beschränkung ihrer Versuche, "Erlebtes, Gehörtes und Erdachtes" lebendig miteinander zu verbinden. Die Sprachbefragung - wie auch der Sprung aus der diskursgeschulten Linearität des Erzählens230 - sind Momente der Identitätsfindung jenseits von gemeinschaftsstiftenden konventionellen Sprachzwängen. Inwieweit hier die Sozialisation in der DDR eine Rolle spielte, ist schwer zu beantworten. Die besondere Erfahrung einer "mit sich selbst entzweiten Sprache", die sich unter den Bedingungen "streng hierarchischer regulierung der sprachkompetenz, die sich mit einer geradezu unheimlichen leere der offiziellen sprache umgab"231, einstellte, wird auch bei Lange-Müller ihre Rolle gespielt haben. Diese besondere "Sensibilisierung", die bei den Dichtern des Prenzlauer Berges "sprache als ansatzpunkt des poetischen denkens und schreibens" so zentral werden ließ, daß sie in der "landschaft despotischer ordnung der macht, die sich im wesentlichen über die sprache in die körper hinein"fraß, mit ihrer "dichtung subversives und quertriebiges denken stimulieren" wollten , in der Hoffnung, "der totalisierung der sprache als organ der unterwerfung des einzelnen ... mit der lust an labyrinthischer unruhestiftung"232 zu entkommen: diese theoriegesättigte Hoffnung teilte Lange-Müller nicht.
Sie hat zwar einen beachtlichen, aber keinen übermäßig großen Teil ihrer Energie für die Sprachbe- oder hinterfragungen benutzt. Anfänglich, als die Autorin noch zeigen wollte, "das ich auf dem Klavier spielen kann"233, benutzte sie die Technik des absurden Wortwitzes häufiger. In einem Interview von 1995 erklärte sie dazu, daß sie "(v)or zehn Jahren ... einfach noch nicht genug zu erzählen" hatte, "oder dem , was ich zu erzählen hatte, nicht genug vertraute". Nun gehe es ihr allerdings darum, "den Leser dadurch zu fesseln, das ich ihn in den Text hineinziehe. Mit Sprachartistik läßt man ihn draußen, wenn die Sprache das Erzählte selbst ist. Will man eine Geschichte erzählen, darf sich die Sprache nicht verselbstständigen, man muß sie dem Thema unterordnen."234
Der Stil ihres Schreibens war und ist weder mit Arno Schmidts Änderungsfließband vergleichbar noch mit den Ansätzen eines Stefan Döring oder Bert Papenfuß-Gorek.. Auch thematisiert die Autorin in ihren Texten keine spezifisch weibliche Sprachnot - eine Nähe zu einem Problem Barbara Köhlers, "(k)eine Sprache außer der Orests"235 zu besitzen oder zu der Feststellung von Gabriele Stötzer-Kachold: "die sprache wird der sprache wenn sie spricht"236, läßt sich kaum finden. Wie lautete doch der letzte Satz ihres poetologischen Textes - ein "Satz von Beckett, aus 'Malone stirbt': 'Es lohnt sich nicht mehr, den Wörtern den Prozeß zu machen; sie sind nicht leerer als ihr Inhalt."237 Wenn die Sprachveränderungen eher zurückhaltend eingesetzt werden, ist dies vielleicht eine Einsicht in die Vergeblichkeit, sich selbst mit einer neuen Sprache neu erfinden zu können. Trotzdem bedient sie sich der Neuschöpfungen - sie dienen ihr gleichsam als eingefügte Merkzeichen, um die Konventionalität der Sprache präsent zu halten und damit den Anteil der Sprache am Verfertigen der Gedanken oder am Erzählen von "Erlebtem und Gehörtem". Zwar kann die Autorin mit dem eigenmächtigen Sprachumgang eine Möglichkeit von Eigenmacht überhaupt bewähren, aber ein Zentrum ihrer Poetologie sind die Sprachverfremdungen nicht. So gesehen hätte sich die Hoffnung, im diskurskritischen Umgang mit Sprache das Zentrum ihrer Poetologie zu entdecken, erschöpft.
Fragt man der Bedeutung des zitierten Satzes von Beckett im Kontext der Gedanken Lange-Müllers und dem Grund für seine Anführung nach, drängt sich als Antwort auf, die Autorin wolle ihr poetologisches Verfahren nicht von inhaltlichen Aspekten trennen. Wenn Worte so leer sind wie ihr Inhalt, sind sie - im Umkehrschluß - voll, wenn sie voll Inhalt sind. Diese geforderte "Fülle" von Texten spricht sie in den Worten aus: "Ich wollte immer Brühwürfel herstellen, möglichst kompakte Extrakte; das auflösen, heißes Wasser draufgießen, bis es richtig für ihn ist, möge jeder (Leser) dann selbst. Nur kein Wort zuviel, keine Wiederholung (einmal muß reichen!), dicke Sprache = dünne Bücher."238 Diese Auskunft im "Gewand 'naiver' Hausfrauen-Pragmatik"239 trifft den lakonischen Sprachgestus ebenso wie die filigrane Spracharbeit der Autorin.
In einem Gepräch mit dem Autor hat die Schriftstellerin zu ihrem Schreibverfahren zusätzlich erklärt, sie taste sich Satz für Satz beim Schreiben voran. Sie machte dafür unter anderem eine "Herausforderung durch die Legasthenie"240 verantwortlich, deren (frühere) Existenz sie auch im vorliegenden Text erwähnt. Sie schreibe deshalb nicht mehrere Fassungen von kompletten Texten, sondern von Sätzen. Erst wenn ein Satz mit der geforderten sprachlichen Genauigkeit gelungen sei , könne sie an den nächsten Satz denken. Eine Folge dieser Technik läßt sich vor allem an frühen Texten bemerkten: Ähnlich dem expressionistischen Prinzip der Simultanität mit seinen Wahrnehmungs- und Gedankensprüngen241, wechselt die Autorin zwischen verschiedenen Wirklichkeitsbereichen von Satz zu Satz242. Allerdings sind ihre linear erzählten Texte, die mit diskursiven Floskeln243 den Textzusammenhang herstellen, diesem Simultanprinzip weniger verpflichtet. Hier tastet sich die Autorin langsam an einem "Schreibfaden" entlang. Für beide Varianten aber gilt: Ein emphatisches Hervorsprudeln von Gedanken im Rausch des Schreibens kann so nicht entstehen244. Die Sprache wird im konzentrierten, sprachgenauen, jede Geschwätzigkeit vermeidenden Voranschleichen "dick".
Der oben zitierte Satz über die Brühwürfelpoetik enthielt auch den Hinweis auf ein kommunikatives Interesse der Autorin. Der Leser soll die von der Autorin bereiteten Text-"Brühwürfel" auflösen und mit "heißem Wasser" seinen Text entdecken.245 Statt eines lauen "interesselosen Wohlgefallens" von Literaturkonsumenten oder der permanent reflektierenden Rezeptionsarbeit, die viele theorieverliebte "Prenzlauer Berg-Autoren" ihren Lesern abverlangten, wird die intensive, sich selbst einbringende, "heiße" Mitarbeit der Leser erwartet. Der Schreiblust246 der Autorin soll die Lust der Leser entsprechen.
Trotzdem: Sowohl die zunehmende Rücksichtnahme247 auf den mitgedachten Leser als auch die anfänglich geäußerte Skepsis, an erster Stelle "ich" zu sagen, führt nicht dazu, ihr Schreiben von äußeren Antrieben ausgehen zu lassen248. Vielmehr betont sie das Gegenteil, indem sie jetzt mehrmals an erster Stelle "ich" sagt: "ich will einfach bloß noch schreiben was ich will; ich muß etwas dabei erleben, erfahren, rauskriegen", und im gleichen Zusammenhang hinzufügt, daß "eine Botschaft noch immer nicht in Sicht" sei. Schreiben als Kommunikation mit sich selbst, fern jeder Verkünderabsicht, ein Schreiben mit "therapeutischen Gründen"249: all das findet sich am Ende eines Textes, der mit der erwähnten Ich-Skepsis begann?
Vielleicht könnte eine Antwort so lauten: Schreiben ist der Autorin eine Art Selbstvergewisserung, ihr Leben und die Auseinandersetzung damit gibt den Texten die Richtung250. Obwohl sie keine allmächtige "Schriftstellergöttin" ist, die als "Sich-Selbst-gegenwärtig Seiende"251 jede dunkle Ecke ihres Ichs sprachlich ausleuchten könnte und trotz aller Diskurse, die sich ihrem Sein, Unbewußtsein und Bewußtsein und trotz aller Perspektiven, die sich in ihre Begriffswelt eingeschrieben haben, existiert ihre intime Erfahrungsperspektive: mit je ihren Prägungen, Erinnerungen, Verletzungen, Obsessionen, Ängsten oder Begierden. Dazu gehört nicht zuletzt, "daß das Subjekt ... kein geschlechtsneutrales mehr zu sein braucht"252 Vieles davon mögen Schreibende mit vielen teilen, aber in dem Punkt ihrer Existenz, in dieser Mischung, an diesem Platz bleiben sie: Autor oder Autorin mit einem "Ich" und einem Namen. So weisen Lange-Müllers Texte praktisch-sinnlich die Ichbezweifelung zurück: durch den Klang einer eigenen, nie gehörten Sprache, die von nie gehörten Dingen, Orten, Erlebnissen oder Gedanken handelt, wahrgenommen253 aus einer Katja-Perspektive.
Die folgenden Untersuchungen sollen den bisher zusammengetragenen Ergebnissen der betrachteten Rezensionen einige neue Aspekte hinzufügen. Dabei sollen keine ganzen Texte interpretiert, sondern einige thematische Gemeinsamkeiten aufgefunden werden. Der Leitgedanke dieser Untersuchungen ist dabei mit dem Ausspruch Adolf Endlers gegeben. Allerdings muß vorab kurz geklärt werden, wie diese Arbeit den Begriff des "weiblichen Beatniks" anwenden will.
Zum einen sollte kein zwanghafter Zusammenhang mit einer Literatur konstruiert werden, der nicht besteht. Lange-Müllers Texte nehmen nirgends direkten Bezug auf die originäre Beatnik-Literatur der Beat-Poeten Kerouac, Burroughs oder Ginsberg. Der Begriff "Beatnik" soll vielmehr - wie schon bei Endler selbst - als ein Zeichen für eine Untersuchungsperspektive verstanden werden, die nach Momenten des antibürgerlichen oder anarchischen Protestes in Lange-Müllers Texten Ausschau hält.
Dabei soll allerdings nicht der Frage nach einer besonderen weiblichen Beatnikperspektive nachgegangen werden. Diese Wortverbindung versteht der Autor lediglich als eine unumgängliche Betonung der Tatsache, daß hier der "Beatnik" eine Frau ist.
Fragt man sich, was eigentlich ein Außenseiter sei, kann man vielfältige Antworten finden. Er kann ein bewußter Nonkonformist sein, ein Aufständischer gegen bürgerliche Lebensweisen, der die erstarrten und einebnenden Moralformen lauthals attakiert oder karrikiert und seine eigenen Anti-Reflexionen und Gegenentwürfe propagiert. Der bewußte Nonkonformist kann sich den bürgerlichen Lebensformen aber auch leise oder nur manchmal entziehen. Der Außenseiter kann gleichermaßen unbewußt gegen Normen anleben, weil diese der eigenen Biographie, die weniger ein Entwurf denn eine Zusammenballung von Geschehnissen ist, nicht entsprechen. Der Außenseiter kann sich mit Stolz und Hingabe oder (und) in öffentlich gemachter Eitelkeit zu seinem Weg bekennen. Auch kann er sich für einen autentischen Nonkonformisten halten und sich doch nur den existierenden - etwa anarchischen, dekadenten, rauschhaften, ökologischen, feministischen usw. - Mustern der Verneinung unterstellen - was immer noch genug Kraft erfordert. Neben diesen Abgrenzungen des Subjekts von der Gesellschaft existiert aber auch der umgekehrte (und oftmals vom vorigen nicht zu trennende) Fall der gesellschaftlichen Produktion von Außenseitern durch Ausgrenzung. Diese Ausgrenzung von Kranken, Alten, "Verschrobenen" oder von politisch oder sexuell von den diskursiv gesetzten Normen abweichender Menschen produziert häufig Außenseiter wider Willen.
Dem literarischen Dandy, dem Dadaisten oder dem Beatnik-Poeten scheinen die laute Zurückweisung konformistischer Vorstellungen gemeinsam. Mit der Gebärde des Protestes wird in unterschiedlicher Stärke gegen eine langweilige, einengende, falsch "gepolte" - auf Geld, Rationalität, Ordnung, Hierarchie, Pragmatik oder pathetisch hohle Werte ausgerichtete - Gesellschaft angeschrieben. Oft wird dabei die Überschreitung von Verboten gefeiert oder der Rausch und manchmal das Düstere und Kriminelle. Damit verbunden werden ekstatische, exzessive oder spirituelle Gegenzeichen aufgerichtet: mit einem öffentlich gemachten Leben oder mit Literatur. Mindestens in ihren Texten sind diese Autoren bewußte Nonkonformisten, eher "Willensmenschen" als unfreiwillig Unzufriedene, die durch die begleitende Ausgrenzung noch bestärkt werden. Zwar werden sie von konformistischen Anfechtungen immer wieder berührt aber ständig sind sie auf dem Weg zu sich als selbstdefinierter Subjekte, dabei stark - bis in die Zärtlichkeit.
Katja Lange-Müllers unverkennbares Interesse an Außenseitern ist hiervon merklich unterschieden. Eigentlich sind ihre Hauptfiguren Randfiguren, die, scheinbar gegen ihren Willen ins Zentrum der Handlung geschoben, sich plötzlich auf der "Bühne" eines Textes wiederfinden , auf der sie herumstolpern. Das gilt zum Beispiel für die Hauptfigur in "Verfrühte Tierliebe". Das junge Mädchen ist keine soziale Außenseiterin, sondern durch ihr eigentümliches Interesse an ernsthaften Tierstudien von anderen unterschieden, wodurch sie schließlich in einem bestimmten Moment als von allen abgesondert erscheint: "'Na', fragte Bisalzki, .... wer will die Süße denn mal nehmen?' Ein kanonisches 'I' in verschiedenen Tonlagen war die Antwort. Nur ich, ich ganz allein, schrie 'Ich'!"254 Dieser Ruf gleicht weniger einer Entscheidung als einem Reflex.- ihre Tierstudien hatten sie für diesen Augenblick vorbereitet. Nun beginnt ihr "Martyrium": ein Ineinander von sexueller Verwirrung (die Waldszene mit Bisalzki und die Verliebtheit zum Biologielehrer), männlicher Bestrafung und gesellschaftlicher Ächtung (Schulverweis, Abiturverbot). Die junge Frau des zweiten Teiles wird durch einen Zufall (Kerzendiebstahl) in die Abgründe von einsamer Angst und Gefangenschaft katapultiert, nachdem sie doch nur in ein helles, duftendes Weihnachtskaufhaus gegangen war. Ein Strudel der Ereignisse, ausgelöst durch eine Minimalhandlung. Ähnlich erging es schon der Protagonistin in der ersten Geschichte von "Wehleid - wie im Leben", die - zusammen mit ihrem Freund - als einziges Stadtkind Interesse an einem gartenartigen Friedhof zeigte. Als die Ich-Erzählerin zwischen den Füßen ihres Freundes "zwei weitere, kleinere Fußsohlen, wie Schmetterlingsflügel in einem Spinnennetz"255 durch Zufall entdeckt, ist das Abenteuer der unbeschwerten Kindheit mit einem Schock beendet. "Neben dem Portal fand ich mühelos das Schild: Unbefugten ist das Betreten des Friedhofs verboten. Eltern haften für ihre Kinder. Ich riß den Pfahl aus .... Es gab keine Unbefugten mehr."256 Ein zufälliges Minimalereignis führt sie zu den "Befugten" - in ein Leben mit Eigenhaftung.
Die Randständigkeit der handelnden Figuren kann aber auch Folge einer lebensweltlichen Differenz zum "Normalen" sein. Anna Nass, Amigo Amica und Rosa Extra aus "Kasper Mauser - Die Feigheit vorm Freund" teilen ein "Verwahrlosungssyndrom"257. Anna, die "Autokannibalin"258, die Ostlerin im Westen, phantasiert unter anderem eine Armeemusterung, eine Uniformierung, an deren Ende sie als einzige verbleibt und einen Namen zugeteilt bekommt: "Sie heißen ab heute Unterwegs." Der erste Gedanke Annas gilt dem darin beschlossenen Außenseiterdasein: "immer allein reisen, immer auf alles selbst aufpassen und dazu das Verlierersyndrom."259. Aber es gibt einen Zusammenhalt der Außenseiter: Amico, selbst Außenseiter qua Geburt, der "Adopstiefsohn einer Mulattin und eines Mestizen, ..., sprachlos, schwarz, schwul, linkshändig und aus dem Osten"260, der als Kasper Hauser in den Westen geht, wird ihr mit "brutpflegeinstinktiven, mutterkartoffelneurotischen Krampfkämpe(n)"261 umworbener Freund. Allerdings flüchtet der "Rußkäfer" Amico schließlich vor diesem sich selbst geltenden "Helfersyndrom"262 in die obdachlose Kälte. Auch mit Rosa Extra, Annas "siamesische Katze"263, verbindet sie ein Zusammenhalt: sie teilen ein "Mann-und-Frau-im-Wetterhaus-Verhältnis", sie sind wie "Sonne und Regen" - geht es einer gut, muß die andere "ab ins Loch"264.
In allen diesen Fällen zeigen die Hauptfiguren kein angeberisches Selbstbewußtsein vor, kein stolzes Außenseiterdasein, mit dem sie bewußt gegen die Ordnung der "Vernunft" protestieren. Sie sind mehr Getriebene als Handelnde, ihren Sehnsüchten und Süchten hilflos ausgeliefert, den Zeitumständen (deutsche Teilung) und den Prägungen ihrer Erziehung. Sie transportieren keine Botschaft, wollen nicht zum Protest wider die Ein- und Unterordnung aufrufen. Sie gleichen eher Ertrinkenden, die sich durch fortgesetztes "Strampeln" so eben an der Oberfläche halten. Und doch kennen sie manche Probleme nicht, die moderne literarische Helden oft haben. Sie leiden nicht an Gefühlskälte, sondern an einem Übermaß an Gefühl. Sie bezweifeln nicht das Dasein als mediale "Wirklichkeit" aus zweiter Hand, denn sie sind von ihrer "ersten" Wirklichkeit zu sehr betroffen. Sie sind nicht "Typen" sozialer Anklage, sondern "Handlungsreisende" ohne vordergründig ausgestelltes soziales Bewußtsein.
Neben diesen randständigen Figuren, denen der Boden der gesellschaftlichen Einfügung durch unverschuldete Umstände unter den Füßen weggezogen wurde, bevölkern nicht selten verrückte Gestalten die Texte. Die "Schizo-Omas und senilen Demenzen" sind die weggeschlossenen Kranken - aus den Augen, aus dem Sinn. Oder da ist der "ältere chronische Selbstmörder" aus "Wer erschießt mich für fünfzig Mark"265, der "nicht auch an Altersschwachsinn im Bett" sterben will, aber trotz Alkohol den Selbstmord nicht wagt. Bei seiner Suche nach einem Vollstrecker seines Wunsches wird er von zufällig angesprochenen Straßenpassanten zuerst mit "Verrückt geworden, was", verhöhnt, bis er schließlich einen Zuhörer findet, der mit ihm um den Preis handelt, unter dreihundert Mark laufe nichts. Als der "Selbstmörder" sich wegdreht, gibt der junge Mann nach - "Na gut, für fünfzig, weil du's bist". Doch der Plan hat sich inzwischen verflüchtigt, einfach so, auch der letzte Satz - "Es war vier Uhr früh und es regnete nicht" - verweigert die Erklärung. Ein Ausgangsmotiv hat es zwar gegeben, über ein Endmotiv - Ernüchterung, ein Innewerden über die eigene notwendige Zustimmung zum lächerlichen Todespreis? - liegen Rätsel. Es bleibt ein Erschrecken beim Leser: Was, wenn der junge Mann den angebotenen Fünfzigmarkschein ohne Widerrede gegriffen hätte?266
Es bleibt aber anzumerken, daß nicht alle Protagonisten in den Texten Lange-Müllers Außenseiter oder Verrückte sind. Zwar scheinen in dem Text "Der Fisch"267 sowohl der urtümliche, in einem schmutzigen Tümpel lebende "Fisch mit Namen: Einermußderletztesein"268 als auch Herr Tim, der stille, altgewordene Porzellanmaler, dem der Fund des Tümpels und das Malen des nie gesehenen Fisches eine letzte Freude bereiten, Unikate des Sonderbaren. Dagegen ist aber "Luise, die Gute" mit ihren "fünf stramme(n), braunhaarige(n) Töchtern und dazu ihrem lieben August"269 eine ganz durchschnittliche Familienmutter. Bei ihrer Suche nach einem Goldfisch für die jüngste Tochter findet sie den alten Fisch, beschließt - ganz Gutmensch mit Helfersyndrom - seine Befreiung aus dem Tümpel, fährt ihn ans Meer, wo der tote Süsswasserfisch bald darauf von einem Fischer entdeckt wird. Nicht jede Befreiungstat führt zu einem guten Ende.
In gleicher Weise können weder die erwähnte DDR-UNO-Diplomatin aus "Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann" noch der unheldisch-simple Durchschnittstyp aus "Lebenslauf" eine exotische Biographie vorweisen. Auch nicht die einfache Margott aus "Die große Reise"270, Tochter eines Eisenbahn-Streckenwärters, Frau eines Büglers, Mutter von fünf Kindern, der die Härte des Lebens nie Zeit zur Verwirklichung irgendwelcher Träume ließ und die, als sie das erste Mal mit einem Zug einfach nur losfährt - "weg von hier ... weg hier, weg hier, weg ..."271 -, erkennen muß, daß nichts mit ihr geschieht, kein innerer Jubel ausbricht, keine Erfüllung sich einstellt, bis sie kapituliert.
Eines aber findet sich auch hier: das Interesse an den Erfolglosen, Langsamen, Herumgestoßenen, an den aus der Wahrnehmung Verdrängten, die leise und hilflos ihr Leben leben, die sporadisch von kurzen Entscheidungsaufwallungen erfaßt werden, aber keinen durchgehaltenen Willen besitzen. Trotzdem geht das Leben irgendwie weiter und der sarkastisch-humorvolle Ton signalisiert den Abstand zur andauernden depressiven Schwermut. Da die Autorin das pathetische Glücksvokabular meidet, ist auch das Unglück keine welteinstürzende Katastrophe, sondern nur Teil des Pendelns zwischen auf und ab. Darin begegnen sich ihre "Normalmenschen" und Außenseiter.
Und wo bleibt der Protest? Vielleicht hier: Mit ihren Vergegenwärtigungen arbeitet sie gegen die Abgrenzung und das Vergessen einzelner Lebenschicksale, gegen die Wahrnehmungsverluste klischeehafter Vereinfachung , gegen die Ideologie der Erfolgszwänge, gegen die Protektion begradigter Lebensläufe und vernunftverliebter Lebenspläne. Gesellschaftliche Umstände werden als Mißerfolgsausreden abgelehnt, ohne jedoch diese Umstände aus einer Teilhabe an der Biographie zu entlassen.
3.4. Rauschmomente oder das Ende der Selbstbeherrschung?
Charles Baudelaire hat einmal geschrieben: "Ach! Die Laster des Menschen mögen noch so grauenvoll sein, dennoch liefern sie uns (und wäre es nur durch ihre unendliche Verbreitung!) den Beweis für sein Verlangen nach dem Unendlichen...".272 In diesem Kontext haben viele Schriftsteller zu Alkohol und Drogen gegriffen. Mit ihnen wollten sie programmatisch ihr Bewußtsein erweitern, ihre Sexualität oder ihre Phantasie entgrenzen, emphatisch Werte hinterfragen, eine kosmische Perspektive erreichen oder nur einfach einen Treibstoff zum Schreiben nutzen. In diesem Kontext steht etwa der Beatpoet Allen Ginsberg, den, im Haus von Timothy Leary273 mit LSD konfrontiert - ein messianisches Gefühl überkam und ihn sagen ließ: "Wir werden die Leute lehren, ihren Haß abzulegen. Beginnen wir mit einer Bewegung des Friedens und der Liebe."274
Auch in Katja Lange-Müllers Texten kommt - nach Adolf Endlers eingangs zitierter Rezension dabei den "höllischen Rausch tangierend" - die Droge Alkohol immer wieder vor . Aber hat es bei ihr "etwas Religiöses, bis zur Bewußtlosigkeit zu trinken"?275 Stimmen ihre Texte der Ansicht Gottfried Benns zu, der von den getrunkenen Bieren gesagt hatte: "(D)as sind die Mütter, wir kehren immer zu ihnen zurück"?276
Katja Lange-Müllers literarische Figuren trinken - eine andere Rauschform wird, abgesehen vom "Beschaffungsdelikt" in "Doch hoffe ich, Medea hört mich nicht", nie erwähnt - vor allem im Verlangen nach entlastendem Selbstvergessen ihrer Einsamkeit. "Und ich sehe nun schon die zwölfte Stunde keinen anderen Menschen mehr als die Flasche hier, und selbst diese letzte mit mir werde ich, o wie bald schon, verkannibalisiert haben."277, sagt die Protagonistin in "Der Unfall"278, nachdem ihr "armes, krankes Zwergpudelchen Lissi Tempel"279 an Staupe verstorben ist. In "Feierabend"280 ruft die Kellnerin "Feierabend" und die "Kneipenstühle fliehend, stoßen" die Gäste auseinander: "Erniedrigte und Beleidigte, Befriedigte und Vereidigte", getrennt nach "Generationen, Geschlecht und Trunkenheitsgrad", gehen davon, doch die Protagonistin, die sich "blauer (stellt) als mir vergönnt ist", wartet auf einen Mann. Aber: "Umsonst, ich errege kein Mitleid. Niemand sucht Anschluß an mich. Kerle wie Samt und Seide." Als die "Straßenlampen als gleißende Säufersonnen in den Pfützen unter"gehen, kommt eine Katze anmiaut: "Weiß ich, ob ich sie streicheln will? Ich streichle sie trotzdem".281
Der schon erwähnte "chronische Selbstmörder" betrinkt sich mit einer "halben Flasche Goldbrand", die er sich zur Gesellschaft leistet. "Als es spät genug war, stellte er die leere Hülle seiner Sterbehilfe vor die Tür"282. Der Rest ist schon bekannt: er schafft es nicht, seine Parabellum-Pistole gegen sich zu richten, trinkt sich letzten Mut an, findet keinen Tathelfer und bleibt in der Welt.
In "Endlich daheim"283 beschreibt sich die Protagonistin als Käfigwärterin ihrer selbst. Die Wohnung als Käfig verläßt sie nur, um das Nötigste zu kaufen: "Schnaps, Brot und was drauf, Kaffee, Watte, Seife, Klopapier, Radiobatterien." - in dieser Reihenfolge. Den Weg nach draußen zur Besorgung der Überlebensmittel geht sie allerdings nur, wenn sie "voller der Verantwortung denn des Schnapses"284 ist.
Eine ganz ähnliche Behandlung erfährt der Alkohol in "Kasper Mauser". Während Rosa Extra - in Gedanken bei ihrer Freundin Anna - auf dem "Eichstrich"285 geht, kommt Anna Nass alias "Anna Alkohol"286 vom Osten nicht los, "nicht an und nicht davon, um so weniger, je mehr sie sich mühte, wie eine Fliege auf dem Leimpapier. ... So fand sie sich, seit sie hier war, seit über einem Jahr: als ein zerfleddertes ... Postpaket, vielleicht eine Art Kiste der Pandora?, voller atmosphärischer Störungen, nervöser Lähmungen .... Was konnte helfen als Flucht in die Welt der Geiste aller Flaschen".287 Allerdings existiert noch eine andere Hilfsmöglichkeit, nämlich die Flucht in "diese Welt da draußen, die auch eine Realität vorstellte".288 Jedoch ist es eine Möglichkeit nur für den Tag und nicht für die Geisterstunde. Schließlich, als Amigo Amica der brutpflegeintensiven Anna entflohen ist, "leckte und bedeckte" sie ihre "Wunden. Auf die inneren gehörte ein Rausch, die oberflächlichen desinfizierte der Alkohol auch ganz gut."289 Doch der Rausch ist nicht zu finden, nur Schnaps und Bier.
Der Alkohol kommt in den Texten fast immer als Überlebensmittel oder "Sterbehilfe", als Labsal oder Betäuber seelischer Verletzungen vor. In der neuesten Kneipengeschichte ist er darüber hinaus ein Treibmittel zur Freisetzung von Aggressionen, er spült die "Humusschicht der Kultur " fort, er schwemmt den (Ausländer)Haß hoch , und läßt jede Rücksicht vergessen.290 Er ist eine kleine "Hölle", um der großen "Hölle" des Lebens auf Zeit zu entkommen. Nirgends führt er zur dionysischen Verschwisterung mit kosmischen Gedanken , nirgends soll er ans Ende einer berauschten Selbstbeherrschung führen, nirgends entgrenzt er Sexualität oder Bewußtsein.
Er ist keine Beatnikdroge, sondern die kleine Hilfe einfacher, unpathetisch-unidealistischer Leute.
3.5. Verdammte Lieben ohne Ende
Denkt man an Beatnikliteratur291, sind sinnlich-erotische Abenteuer, die heftig ausgelebten Geschehnisse der Sexualität und Liebe, nicht weit. Ihre Behandlung können aber höchst unterschiedlich sein. Einmal klagte der frühe Allen Ginsberg gegenüber Burroughs "'Niemand auf dieser Welt liebt mich. Niemand liebt mich. Niemand liebt mich.' Für Sentimentalitäten hat Burroughs nichts übrig. Achselzuckend erwidert er: 'Warum zum Teufel sollte dich irgend jemand lieben ?"292
Die Auseinandersetzung mit dem Thema Liebe ist weiß Gott kein beatnikspezifisches Thema und deshalb soll der Kontext "weiblicher Beatnik" hier nicht weiter strapaziert werden. Trotzdem kann aber die Frage gestellt werden, ob in den Texten der Autorin, wenn sie von Liebe , Erotik oder Sinnlichkeit handeln, jener Protest "arbeitet", von dem Adolf Endler sprach. Gibt es in ihren Texten einen bemerkbaren Antikonventionalismus?
Als Bezugspunkt dieser Betrachtung soll der Text "Doch hoffe ich, Medea hört mich nicht"293 dienen. In ihm wirft die in die Freiheit entlassene Ich-Protagonistin ihrer Zeitgenossin und Zellennachbarin Medea ein falsches Liebeskonzept vor. Die Medea in diesem Text hat dem Griechenheros Jason zu einem Goldenen Fließ verholfen, das - anders als bei Euripides, aber im Anschluß an Hans Henny Jahnn - dem Träger ewige Jugend verleiht, und damit - so die Autorin - Medea zu einem physiologisch ewig schönen Jason verhelfen soll. Indem Medea sich ein unsterbliches Wesen schafft - und sich damit zugleich ihrer Macht versichert - erhöht sie ihre Partnerschaft zu einer Liebe mit einem Göttlichen. Oder: Einen Unsterblichen schaffen und diesen dann lieben, rechtfertigt das Verlangen nach unsterblicher Zuneigung und Dankbarkeit. Das besitzergreifende Verlangen nach Jason endet in der bekannten Katastrophe. Die Autorin verteidigt den Griechenheros: "Welcher Mann hielte so was (eine monogame "Melancholerik", d. A.) lange aus?"294 Welchem "zu immerwähren-der Neunzehnjährigkeit Verdammte(n)" stünde schon "Schwanz" und "Sinn ... nach einer Fünfzigjährigen"? Fazit: "'Liebe kann man nicht erzwingen/ nein, o nein/ denn sie muß vor allen/ ehrlich sein...'"295
Medeas Jason-Sucht nach der Abwendung des Geliebten wird als "gnadenlos monogam", von "antipolygamer Penetranz", gezielt auf ein "Joch der angeblich unabweislichen ehelichen Pflichten", beschrieben. Dabei liege eine metaphysische Verwechlung vor, eine Verkennung der Zeitlichkeit der Liebe, die ein "Nachtschwärmer"296 sei, oder - wie in einem anderen Text gesagt - "eine himmelsnacht"297 Lange-Müller beschreibt Medeas Verlangen als "kochgradig sexuell", als ein "besessenes Verlangen"298, als ein "sich zu sehnsüchtiger Begierde hochschaukelndes Bedürfnis"299, bis es sich schließlich als romantische "Himmelsmacht" versteht, mit allen Ansprüchen an die Ewigkeit und Vollkommenheit der Liebe.
Diesen mehrfachen Protest gegen ein pathetischen Liebeskonzept kann man durchaus als antikonventionell bezeichnen. In "Abteilungen aus einem Tagebuch"300 beschreibt das Text-Ich ihre scheinbare "polygame" Preferenz: "Auch ich bin nur ein weiterer Trottel, frühverblödet in Angst vor den Eltern, vorgealtert aus Bindegewebsschwäche, zu reich zum Denken, zu faul zu handeln, schreibmaschinistische Betätigung vortäuschend, aus Mangel an Gelegenheit und wachsender Partnernot infolge schwindender Weibsschönheit bei zunehmender Geilheit. Wie nennt man das, wenn das Salzwasser den Mond hin- und herschiebt? Ebbe und Flut."301
Neben diesem unpathetischen Konzept gibt es aber auch Textstellen, die zeigen, wie sehr das Leben über ein Credo immer wieder triumphieren kann und wie nah die Autorin der "denunzierten" Medea (auch) steht. In dem einige Jahre später geschriebenen "Kasper Mauser"-Text bekennt die - um Amigo Amico trauernde - Figur Anna Nass302: "Ach Anna ... weißt du denn gar nichts Besseres als: immer diese brutpflegeinstinktiven, mutterkartoffelneurotischen Krampfkämpfe um unwürdige Gegner, gnadenlose Narzisten ... bis du nichts mehr hast, nur ... den klebrigen kleinen Hohlmuskel ... dein einsames, ängstliches Eierschalensalatherz - keiner will es."303 Im gleichen Text erklärt Anna eine Bedingung von Liebe, die dem Besitzanspruch von Medea allerdings direkt entgegensteht: "Ich kann nur lieben, was ich die Freiheit habe, auch zu verlassen."304 So gesehen scheint es, als würde auch Katja Lange-Müller an eine reale, nicht nur denkbare, diskursiv-utopische Möglichkeit einer Liebe glauben - wenn sie nur jenseits von Besitz, Ehejoch und Ewigkeit bleibt. Einer egomanischen Medea jedenfalls bleibt sie verschlossen.
Schließlich seien noch einige Textstellen zusammengetragen, in denen die Autorin ihre Ansichten zu den grundlegenden Schwierigkeiten und Gefährdungen von Partnerschaften anklingen läßt. Mehrfach wird in den Texten von einer unüberschreitbaren Grenze der Fremdheit zwischen den Partnern gesprochen: "Ich wollte etwas beruhigendes sagen, daß ich ihn liebe ... Doch jedes Wort, das hervorzubringen ich mich bemühte, brach aus in unbändiges, heiseres Menschengebell."305, heißt es in "Kleist in Ulan Bator". In "Die Klinke bin ich" befindet die Protagonistin: "Jede Liebe ist auch ein Irrtum ..."306 Sie ist aber auch ein Halt gegen existentielle Angst: "doch einmal; während halbschlafes; fiel mir bei, daß das, was wir da so ge-mein-hin liebe zu nennen ... gewöhnt (gewohnt?) sind, vielleicht kaum anderes ist, als angst, die nackte angst, die sich zu bedecken sucht, mit der blöße des anderen/fremden."307 Mehrfach benutzt die Autorin eine Geschlechter-Kampf-Metaphorik, etwa, wenn sie von "gegnerischen Geliebten"308 spricht, oder wenn sie das einander "nicht kriegen" können als "'tolles' Wort, in dem Zusammenhang"309, auf "Krieg" bezieht. Da man aber letztlich "wehrlos gegen Biologismen wie 'Geschlechtsreife (und) Fortpflanzung ..."310 ist, hält sie an den körperlich-exzessiven Phantasien als unaufgebbar fest: "Das wird ein Reichstag werden, so wunderschön wie heute! Und bumsen werden wir und Schnabus saufen, alle miteinander, bis wir mausetot sind, bis zum Letzten: Aufnimmernüchternwiedersehn."311
Obwohl fast alle Texte Katja Lange-Müllers - aufgrund ihres lebensweltlich geprägten Interesses - einen Bezug zur Großstadt zeigen, findet sich in ihnen zugleich ein komplementäres Prinzip in der fortgesetzten und fortgesetzt eigentümlichen Betrachtung der Natur, das mir einer kurzen Aufmerksamkeit würdig scheint.
Schon in ihrem ersten Text "Die Unbefugten" präsentierte die Autorin ein mitten in der Stadt liegendes Stück "Paradies" - einen Friedhof als Spielwiese, eingelassen in die graue Stadtlandschaft. Umstanden von den Häusern und zugleich "von vier Seiten" durch eine Mauer "umklammert", gleicht er "ein(em) Garten, mehr noch ein(em) Park, mit Steinen, mit Blumen, mit Tieren, vor allem mit Jahreszeiten. Leise, aber nie ganz still"312. Die beiden Protagonisten suchen jedoch keine Ruhe, sondern "wollten alleine sein und laut"313. Zur Beschreibung des Friedhofes erwähnt die Autorin zwar die Pflanzen - den "hochwuchernden Beifuß", der "durch die Steine trieb" und "sein(en) Kumpel, (den) baumtötenden Efeu" - doch die Hauptaufmerksamkeit gilt schon hier den Tieren und dabei speziell den Insekten. "Noch was gab es hier, das wir nicht mögen konnten: Feuerwanzen." Als schriebe sie schon an der "Verfrühten Tierliebe", berichtet sie von ihnen, den "Inseln blöder, zielverlorener Flüchtlinge, die auf ihren Tausenden von Beinen umhertrieben".314 Ohne daß die Kinder "es unbedingt wollten", werden "die Käfer oft (hier noch mit den Augen, d.A.) verfolgt". So wird die "grell leuchtende Scheußlichkeit" der Feuerwanzen wahrgenommen, ihr fortgesetztes Auftreten im Pulk zeigt ihre Eigentümlichkeit - sie sind "feige wie nur sie selbst".
Das eigentliche Interesse der jungen Tierbeobachter aber gilt der Interaktion mit den Tieren, besser gesagt, sie gilt ihrer spielerischen Beherrschung. Sobald sich die Wanzen ängstlich in die Erde "gestopft" haben, werden sie "mit den Fingern oder lieber mit einem Zweig" herausgepuhlt. Manchmal warten die beiden Kinder einfach, bis die Wanzen "meinten ..., daß die Gefahr vorüber sei. ... Aber kaum hatten sie sich wieder zu einem Flatschen formiert, stieß Phillipp seine beiden abgespreizten großen Zehen heftig ... in den Boden". Die panischen Insekten verschwinden, was "ungeheuer komisch" aussieht. "Phillipp spielte solange, bis die Viecher völlig kaputt waren . ... Er spielte das eigentlich für mich. Ich lag auf dem Bauch dabei ... und bewunderte die strategische Geschicklichkeit der wahrhaft sehr großen Großen Onkel meines Freundes."315 Im übrigen baut schon jener Phillipp die "sichersten Raupenkäfige"316, womit er sich als legitimer Vorgänger der Käferfreundin aus der "Verfrühten Tierliebe" zeigt.317
Wie eine Klammer schließt der Gedanke einer Naturerforschung als Naturbeherrschung das Werk der Schriftstellerin ein. Ihr letzter Text über die Käferbastlerin zeigt die gleichen Motive: die Beobachtung der einzig immer zu betrachtenden freien Tiere in der Stadt, die nun zur genauen Vivisektion fortgeschrittene Anverwandlung der Naturprodukte durch die Einordnung in die "Zigarilloskistchen der Sorte Sprachlos", oder den mehrfachen Versuch, mit dem spielerischen oder phantasievollen Insektenumgang andere zu beeindrucken - nämlich sowohl die Mitschüler durch "die neuartige Bastelei" ihres "animalisch gefüllten Knastkorkens"318 als vor allem den geliebten Biologielehrer, den die Schülerin mit ihren neu zusammengestellten Kleinodien umwirbt. Eine ähnliche Naturbastelei findet sich übrigens in "Das Experiment oder die Frankensteinvariante", hier aber als Hybris des menschlichen Forschergeistes dargetan, die in der Schaffung eines "Es" genannten Wesens kulminiert, einer Zusammensetzung von einem "Kopf eines dreiundvierzigjährigen, aus der Wildnis gefangenen Schimpansengreises" mit "dem Körper eines zehn Jahre alten Zirkusschimpansen, der die Freiheit nie erfahren hatte. Die Gegenprobe, der übrig gebliebene Kopf des jungen auf dem Rumpf des alten Affen, starb leider..."319 Gründe zu diesem epochalen Experiment - dem "zweihundertacht Operationen, die an doppelt sovielen Schimpansen in einem Zeitraum von nur neun Jahren mißlungen waren", vorangegangen sind - erfährt man nur indirekt: alles dient "zum Ruhme der Forschung, zum Lobe chirurgischen Könnens"320.
Was in einem Selbstzweck endet, hatte im kindlichen Forschergeist seinen Ausgangspunkt. Die Natur als Projektionsfeld der Sehn-Süchte von Stadtkindern, nie ganzheitlich erfahren, aber das Verlangen nach sinnesfroher Lebendigkeit genauso anstachelnd wie ihre Phantasie und ihre Allmachtsvorstellungen, ist ihr Wunsch-Freiraum , der Ort der Verheißung und Enttäuschung zugleich. In "Die Unbefugten" endet hier eine unbeschwerte Jugend und für Phillipp beginnt hier das Abenteuer der Sexualität. In "Verfrühte Tierliebe" hört man die Protagonistin beim Anblick der Schlange lauthals "Ich" rufen, im Wald hat sie ihr erstes "Rendezvous" und bei der Käfermontage spürt sie den Antrieb erster Liebe. So wird die Natur zur beschädigten "Seelenlandschaft" verwundeter Individuen und nicht - wie in vielen Beatniktexten - zum romantisch verklärten Gegenbild der Zivilisation. Bei Katja Lange-Müller bleibt Natur nie unbetroffen und nie ein unveränderter, von außen betrachteter Traumort zum Genießen. Sie ist vielmehr schon immer dem Griff von Menschen ausgeliefert.
3.7. Schlußbetrachtung oder das "Prinzip Großstadt"
In einem 1995 gehaltenen Vortrag in Leipzig erzählte die Autorin, sie sei - nachdem sie die Stationen Bukarest, Budapest und Wien hinter sich gebracht habe - nun nach Berlin zurückgekehrt, "weil ich schließlich kapiert habe, daß ich ohne Berlin noch viel verlassener bin als Berlin ohne mich".321 Ironisch bemerkte sie : "Mein armes, olles Berlin! Seine Seele, also ich, hatte es so lange so sehr in Stich gelassen"322 Sie sprach von einem "neu und jetzt erst richtig geweckten Interesse an Berlin, am Prinzip Großstadt"323
Die Richtung dieses Interesses ist mit dem Titel ihres Vortrages gut beschrieben: "Spannungen - Menschen - In der Stadt".324 Dabei schreibe sie nicht über Berlin, sondern von Berlin, "weil mich das Wort 'worüber' in die falsche, mir nicht gemäße , womöglich schöpfende, zumindest aber wissende Perspektive setzte, die ich nicht habe und nicht will." Das Prinzip Großstadt ist eigentlich ein Verstricktsein in die Großstadt - mit einem ganzen Leben. Es wird keine Stadtsoziologie betrieben, keine Architekturhistorie wissend ausgebreitet, keine Stadtgeschichte neu interpretiert, sondern von Menschen-Spannungen erzählt. Beim Existenzort Großstadt im Sinne Lange-Müllers, dieser "Stadtschaft meiner Obsession"325, ist die Enge, Menschenhäufung, Krach, Buntheit, Unrast oder Direktheit gemeint. "Das Faktotum von Moabit"326 - ein Teil des gleichen Textes - zeigt eine solche Stadtszene. Die Protagonistin bewohnt "eine Art Küchenklo im 4. Stock vom Seitenflügel des Hinterhauses"327, gelegen an einem "Betonhinterhof" und an einer faktischen Hölle. Denn der Hof grenzt an die Rückseite eines "zäh vor sich hin florierenden Verbrauchermarkt(es) der Kette 'Kaiser'", was den Mietern nicht nur "ab Mitternacht stündlich aufquitschende Räder" der Lieferfahrzeuge beschert, die "zur Morgendämmerung" vom Krach der "wenig sorgsamen Getränkefritzen" abgelöst werden, sondern die - als besondere Perfidie - den Lärm von zwei "einfundamentierten Backenbrecher(n)"328 zu ertragen haben, jenen "Allesfressern", die von den jeweils ersten Mitarbeitern bei Schichtbeginn eingeschaltet werden. Der ihnen zugehörende Lärm "grub nicht nur jedweden von uns mehrheitlich arbeitslosen oder anderswie freischaffenden ... Hofbewohner aus seinem zerwühlten Bette", sondern er vertreibt auch die Katzen. Jahrelang geht dies so, mit der einzigen Unterbrechung: den Wochenenden. Kurz vor einem solchen Wochenende erscheint das "Faktotum von Moabit", eine "zerlumpte, mannartige Erscheinung"329, die mit lauter Stimme grölt: "Bomben auf England" und "Rußkäfer, Kümmeltürken, Kalmücken, Polacken, ... (w)ir haben euch nicht gerufen", worauf aus mehreren Fenstern ein "'Ruhe', 'Schnauze', 'Arschloch'" erschallt. Die Erzählerin, die wie fast immer in der Ich-Form schreibt, schreit nicht, sondern füllt eine Plastiktüte mit Wasser und wirft sie als "Bombe" herab, und weil das nichts hilft, aber zugleich "plötzlich und unerwartet"330 ihr "Jagdfieber cholerisch hochging", wirft sie schließlich ein "eiskaltes Drei-Liter-Schraubglas mit der Aufschrift 'Schlesisches Gurkenbömbchen'"331, das sein Ziel nur knapp verfehlt, weshalb das Faktotum nur wegen herumsplitternder Scherben blutet, während die Angreiferin auf die Polizei wartet, die aber nicht kommt.
Großstadt ist hier ein Eskalationsraum der Agression, von "Menschen in Beton, Menschen mit wenig oder nichts, Menschen, die unentwegt unterwegs sind ".332 Wo die frühere Teilung der Stadt für die Protagonisten existentielle Abgründe bereithielt und ihre Texte - vor allem in "Kasper Mauser" - die eigene Verstrickung in diese Abgründe umkreiste, scheint die Autorin nun die reichhaltigen sozialen Spannungen beim hektischen Zusammenprall verschiedener Schichten und Kulturen mehr von außen beobachten zu wollen333. Die Konflikte selbst, in denen sich die Handelnden bei zunehmender Eskalation immer maskenloser zeigen, werden durch einen banalen Anlaß ausgelöst. Die Anatomie einer solchen Eskalation mit dem Zusammenspiel wechselseitiger Berührungsängste und Unsicherheiten zeigt beispielhaft die Szene in der "Feuchten Welle".
Ausgangspunkt ist die gutmütige Stimmung in der familären Kneipe mit ihren drei Gästen, von denen die Erzählerin sagt, daß "die so oft da sind, daß sie einen kennen und grüßen". Alle beobachten einen Polen, der vor der Kneipe "zwischen seinen Einkäufen auf dem Bordstein hockte", während die Männer miteinander flüstern. Die Erzählerin hat deshalb schnell das "Gefühl, daß hier heute noch etwas passieren würde".334 Schließlich geht ein Gast - Moosjacke genannt - zu dem Polen und bietet ihm mit polnischen Worten ein Bier. Die Spannung steigt, "der Pole" springt "tief erschrocken" auf und lehnt heftig ab. Nach der mehrmalige Wiederholung des Angebotes ist "irgendwann ... des Polen Widerstand gebrochen. Nacheinander gingen wir hinaus zu dem Mann und brachten ihm Biere."335 Dann aber verlangt es Moosjacke nach dem Aldiwein des Polen, der in einem großen Stapel vor ihm steht. Doch der ist wieder übervorsichtig und lehnt ab. Damit aber vertut "er seine Chance" und "bedient() das von den 'Feuchte Welle'-Brüdern geplante, plumpe Schmierenstück", die "lineare Männerspiel-Dramaturgie"336 kommt ins Rollen. Es folgt die "ganze verbale Palette" von Schimpfwörtern. Als "der Pole" "mit einem einigermaßen friedlichen Ausdruck im Gesicht" zur Toilette will, springen die Männer - "wie eingeübt"337- vor die Tür, die geballten Fäuste vorgestreckt. Die unterschwellige Agression geht in offene Herausforderung über, die Gruppe "grinst höhnisch" und die Autorin "kapierte ..., worauf diese vier Zausel die ganze Zeit schon gewartet hatten". Auch der Pole, der "den reziproken Helden gab" , versteht und zieht niedergeschlagen ab. Zu seinem Pech wird er aber beim Urinieren beobachtet, wobei sich die Stammgäste, "wie beim Fußballspiel, wenn die richtige Mannschaft ein Tor schießt"338, auf die Schenkel schlagen. Der Rest steht in Anmerkung332.
Ohne aufklärerische Attitüde wird hier über Fremdenfeindlichkeit in Verbindung mit gruppendynamischen Vorgängen nachgedacht. In der kleinen Welt in der Großstadtwelt überlagern sich die alltäglichen Konflikte und schaukeln sich auf, wobei das Verhalten der Beteiligten - wie im Leben - bis zum Schluß eigentlich nicht vorauszusehen ist. Es bilden sich wechselnde Grüppchen und Mehrheiten339, die Sympathien und Antipathien schwanken hin und her340, wobei "der Pole" ganz langsam zum Zielpunkt der Abweisung wird. Erzählt wird das alles nicht aus einer allwissenden Perspektive, sondern von einer beteiligten Beobachterin, die sich, (zumindest) auf Zeit, zur Kneipen-Familie zählt. Ihr Interesse an den Figuren ist weder elitär noch ästhetizistisch oder peinlich anbiederisch, sondern eine - mit gesellschaftlich-politischer Wachheit - verbundene Auseinandersetzung mit den Vorgängen des Ausgrenzens, des Ausschließens oder des Abdrängens.
Wenngleich die Großstadt als Handlungsort in fast allen ihren bisherigen Texten vorkommt, so scheint Katja Lange-Müller als beteiligte Beobachterin in der Tat einen fruchtbaren Neuansatz gefunden zu haben. Den weiteren Schreibergebnissen kann man daher mit einiger Erwartung entgegensehen.
1 zitiert nach Cornelia Geißler (LXXIII)
2 Adolf Endler (LXXX). (Der Text ist hier abrufbar)
3 Beide Gedichte wurden nur hier veröffentlicht. (zurück)
4 Werner Liersch (IV), S. 89
5 Daß Katja Lange die Tochter Inge Langes war, die seit 1973 (als eine von zwei Frauen, die je in dieses Männergremium vorgelassen wurden) Kandidatin des Politbüros wurde, wird im Verlauf der Arbeit mehrfach zur Sprache kommen. (Eine Kurzbiografie des Munzinger Archivs ist hier abrufbar)(zurück)
6 Werner Liersch (IV), S. 89
7 Katja Lange (IV), S. 93
8 Werner Liersch (IV), S. 89
9 ebda.
10 Gemeint ist der "subkulturelle" Raum am Prenzlauer Berg, an dessen Leben mit seinen (u.a.) Lesungen und Partys die im Stadtbezirk wohnende Katja Lange-Müller regen Anteil hatte. Zugleich soll aber nicht vergessen sein, daß die angehende Schriftstellerin von 1979-1982 am Literaturinstitut "Johannes R. Becher" in Leipzig studierte, wo angehenden Literaten auf liberale Weise ein engagiertes und (sozialistisch)-realistisches Literaturkonzept vermittelt wurde. Der Integrationsversuch - zu dem auch die Lektoratsarbeit 1984 zählen kann - dauerte also lange Zeit beidseitig fort. Erwähnen muß man auch die Tatsache, daß die Bereitschaft zum Studium in Leipzig in "subkulturellen" Literaturkreisen eine Ausnahme war. Das durchschnittliche Literaturgenie am Prenzlauer Berg sah eher skeptisch-belustigt auf das staatliche Angebot. Schließlich soll auch das "geheime Ringen" um Katja Lange-Müller nicht vergessen sein. Schon 1967 war sie bei der Stasi im Operativvorgang "Diskussionsklub" aktenkundig geworden, der während der Bekämpfung von Diskussionen vieler Jugendlicher (darunter die Söhne Robert Havemanns) in der Mocca-Milch-Eis-Bar in Ostberlin entstanden war. Die Jugendlichen hatten "Freiheit" gefordert "ohne sich über den wahren Inhalt dieses Begriffes überhaupt im klaren" zu sein, "revisionistische Machwerke" durchgearbeitet und mit ihrer Kleidung und ihren Frisuren Aufsässigkeit demonstriert. Lange-Müller fiel danach immer wieder "negativ" auf (1978: Operativvorgang "Zirkel", 1984 im Zusammenhang mit der Herausgabe der Zeitschrift Mikado). Als Gegenkonzept war eine "positive Beeinflussung" vorgesehen und die "Herauslösung aus dem Kreis der negativ-feindlich tätigen Personen". Als das nichts brachte, waren konspirative Wohnungsdurchsuchungen fällig. Schließlich schlug der Direktor des Literaturinstituts, Max Walter Schulz, der gerade fertigen Studentin 1982 einen Mongoleiaufenthalt vor, offiziell, um moderne mongolische Literatur zu suchen und inoffiziell, um sie aus den aufmüpfigen Kreisen in Berlin herauszulösen (J. Walther (XX), S. 454f). (zurück)
11 siehe Literaturverzeichnis
12 siehe das Literaturverzeichnis
13 Gespräch mit Frank Goyke (XXIII)
14 Andrea Jäger (XV), Bd. 2, S. 167
15 ebda., S. 5 Mindestens vier (Honigmann, Moog, Rom, Schleime) könnte man hier zur "subkulturellen" Szene, zur "totgeschwiegen Generation" (A. Jäger, Bd. 2, S. 150) zählen. Erst mit der Veröffentlichung der Anthologie "Berührung ist nur eine Randerscheinung" (VII) änderten sich die Dinge langsam. (zurück)
16 Angemerkt sei hier ein Vorgang, den die Autorin dem Autor dieser Zeilen mitteilte. Danach war kurz nach ihrer Ankunft im Westen der Spiegel mit dem Angebot an sie herangetreten, für 300 Zeilen über das Leben der Mutter in der Politbürosiedlung Wandlitz volle 80.000 Mark zu zahlen. Den Mißerfolg des Angebots an eine ziemlich mittellose Autorin hatte sich der Spiegel wahrscheinlich nicht vorstellen können. (zurück)
17 Wer war wer in der DDR (XXI), S. 542
18 ebda.
19 Jürgen Jacobs (XXXIII)
20 Konrad Franke (XXXIV)
21 Jürgen Jacobs (XXXIII)
22 Konrad Franke (XXXIV)
23 Katja Lange-Müller (I), S. 100
24 Beatrice Eichmann-Leutenegger (XXXV)
25 Die Rezensentin geht aber auf eine wesentliche Wendung im Text nicht ein: daß nämlich der schwerfällige und langsam denkende Soldat - u.a. auch beschimpft von einem Reservisten - nicht der kühle Mörder ist und sich durch eine Flucht in den Mauerstreifen umbringen läßt. (zurück)
26 Effi Horn (XXXVI)
27 die Wahrnehmungen änderten sich aber schnell, weil die meisten Rezensionen zu "Wehleid - wie im Leben" erst nach der Bachmann-Preisverleihung geschrieben wurden, also in Kenntnis der neuen Texte, die sich explizit auf die Ost-West-Problematik bezogen. (zurück)
28 Jürgen Jacobs (XXXIII)
29 Beatrice Eichmann-Leuchtenegger
30 vier Kapitel aus dem 1988 erschienen Text "Kasper Mauser. Die Feigheit vorm Freund"
31 Frauke Ohloff (XXXII)
32 Mira Beham (XXVII)
33 ebda.
34 Siegmund Kastner (XXVIII)
35 Karl Corino (XXXIX)
36 ebda.
37 Kleines Politisches Wörterbuch (XVII), S. 415f.
38 Kleines Politisches Wörterbuch (XVII), S. 355
39 Karl Corino (XXXIX)
40 Katja Lange-Müller (I), S. 26. Auf den dazugehörenden Text "Manchmal kommt der Tod auf Latschen" wird die Untersuchung noch mehrfach eingehen. (zurück)
41 Karl Corino (XXXIX)
42 Andrea Jäger (XV), S. 2
43 Karl Corino (XXXIX)
44 Werner Buhss (XLVI)
45 Gespräch mit Frank Goyke (XXIII)
46 ebda.
47 beide ebda.
48 oder gar lebt?
49 Gespräch mit Johanna Romberg (XXII)
50 Mira Beham (XXII,1)
51 Gespräch mit Frank Goyke (XXIII). Anzumerken ist eine Äußerung Rainer Schedlinkis (= IIMB Gerhard) gegenüber seinem Führungsoffizier. Bei einem Treffen in Wiesbaden am 4.11. 1988 habe Lange-Müller ihm gesagt, "daß der eigentliche Bruch in ihrem Leben durch den Aufenthalt in der Mongolei zustande gekommen sei. Dort hätte sie durch die Mißstände und harten Bedingungen, unter denen sie leben mußte, den Glauben an den Sozialismus verloren." (J. Walther (XX), S. 454. Nach Originalton Lange-Müller klingt das allerdings nicht. (zurück)
52 mit der Auszeichnung Bachmann-Preis
53 Erst in seinem letzten Satz schrieb er, daß sich "gelegentlich ... ein schriller Witz oder eine spielerische Freude am Unsinn Raum" schaffe (J. Jacobs, (XXXIII)) (zurück)
54 Beatrice Eichmann-Leuchtenegger (XXXV)
55 Heimo Schwilk(XXXVIII)
56 Werner Irro (XXXVII)
57 Cornelia Cöster (XLI)
58 Werner Irro (XXXVII)
59 Oliver Silchert (XLIII)
60 ebda.
61 Cornelia Cöster (XLI)
62 Urs Bugmann (XL)
63 Gespräch mit Johanna Romberg (XXII)
64 Oliver Silchert (XLIII)
65 Werner Irro (XXXVII)
66 In der Anthologie waren drei Texte von Katja Lange-Müller abgedruckt: "Ulan Bator, Februar 83", "Frauen in Ulan Bator" und "Ein Tag aus dem Leben des Künstlers der das große Weh geheißen" (VII), wobei der erste Text nur hier erschien. Nach Birgit Dahlke (IX) gehörten ihre Texte zu den wenigen "ironisch-komischen" Beiträgen der ansonsten sehr ernsthaft mit Sprache und Diskursmustern spielenden, jungen und vor allem "inoffiziell" publizierten Literatur aus der DDR. Eine schöne Beobachtung sei hier mitgeteilt. Birgit Dahlke merkt an, daß der ironische Text über ein junges Künstlerdasein ("Aus dem Tag ...."), der mit dem schönen Satz einsetzte:" Wenn Finsternis ans Licht des Tages trat, saß All-einsam wie ein Beschluß der schweigenden Mehrheit und malte, das große Weh" (VII), im Zusammenhang der Anthologie wie ein " ironischer und selbstironischer Kommentar des vor allen von seinen männlichen Protagonisten gepflegten Bohemienstatus in der subkulturellen ostberliner Künstlerszene" wirken konnte. (zurück)
67 Werner Irro (XXXVII)
68 Katja Lange-Müller (I), S. 70
69 In "Wehleid - wie im Leben" (I) wird Hoddis mehrfach erwähnt. In "Abteilungen aus einem Tagebuch" (ebda., S. 72) fühlt die Ich-Protagonistin sich als "Gegenstand eines Hoddisschen Gedichts", im "Brief aus Herzberge an die Muttergottes" (ebda., S. 47) unterschreibt das Text-Ich einen Wutbrief an die Mutter über die Realität der Nervenklinik Herzberge ("Ei, euer Kuchenknast, dies osmotische Gebilde mit den dünnen Beinen, den Wabbelbäuchen ... den tagtäglichen, nachtnächtlichen Schreien unschuldig sterbender, in Jungfernkrämpfen sich windender Schizo-Omas, die das Gleis nicht überlebt haben wollen, ... (ein) Mutter-Mal am Arsch Ostberlins, eure verhinderte Verhütungsanstalt...") mit "Dein Jakob van Hoddis" (zurück)
70 Cornelia Cöster (XLI). Das Zitat ist aus "Wehleid - wie im Leben (I), S. 71
71 Oliver Silchert (XLIII)
72 alle Cornelia Cöster (XLI)
73 Heimo Schwilk (XXXVIII)
74 Karl Corino (XXXIX). Dieser selbsttherapeutische Ansatz ihrer Neigung, das eigene Leben (auch) zum Scheiterhaufen zu machen, kommt zum Beispiel in einem Bekenntnis der Autorin in ihrem Brief an Medea (Doch hoffe ich, Medea hört mich nicht) zum Ausdruck, in dem sie bekennt, "etwas therapeutisch-selbsterfahrbare Denunziation" (V, S. 162) zu betreiben. Die "Denunziation" von Medea ist eine - aus eigener Erfahrung gespeiste, das eigenen Selbst befreiende therapeutische Selbstdenunziation. (zurück)
75 Cornelia Cöster (XLI)
76 Heimo Schwilk (XXXVIII)
77 Urs Bugmann (XL)
78 Werner Irro (XXXVII)
79 Heimo Schwilk (XXXVIII)
80 ebda.
81 Leider erfährt der Leser nicht, welche Literatur gemeint sein könnte. So muß wohl das nebulöse Gespenst einer Literatur der "Achtundsechziger" weiter herumwallen. (zurück)
82 Heimo Schwilk (XXXVIII)
83 Neben der unbestritten politischen Dimension einer Geschichte der Einordnung des späteren Grenzsoldaten in eine politische Struktur - nahegebracht durch die Verwendung vielfältiger staatssprachlicher Floskeln ("bald erkannte ich, das es meinen Fähigkeiten und Bedürfnissen entsprach...", "erzog mich der Vater stets im Geiste von Marx, Engels, Lenin und den folgenden Kommunisten", "es kamen verdiente Genossen" (I), S. 101 ff.) -, handelt der Text zugleich von der existenziell unüberbrückbaren Distanz des einfachen, im Land verwurzelten, hilflos überforderten Soldaten zu einer sich vernünftig gebenden Ordnung. (zurück)
84 Heimo Schwilk (XXXVIII)
85 Johanna Romberg (XXII). Diese Distanz zum Erhabenen, zu Worten, die eine geradezu mythische Größe konnotieren, zeigt sich in der Behandlung des Themas Liebe, etwa in der Wortveränderung "und die liebe? - eine himmels-snacht (II; S. 70) - wobei zwischen einer Distanz zu Worten und der damit beschriebenen Sache zu unterscheiden ist. Dazu später mehr. (zurück)
86 5 x (zurück)
87 5 x (zurück)
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89 Katja Lange-Müller (I), S. 26-38
90 ebda., S. 26
91 alle ebda. S. 38
92 ebda., S. 26f.
93 Beatrice Eichmann-Leutenegger (XXXV)
94 Effi Horn (XXXVI)
95 Karl Corino (XXXIX)
96 Katja Lange-Müller (I), S. 124-131
97 ebda., S. 127
98 ebda., S. 125
99 ebda., S. 128f.
100 ebda., S. 131
101 Cornelia Cöster (XLI)
102 Beatrice Eichmann-Leutenegger (XXXV)
103 so bei Corino und Cöster
104 Katja Lange-Müller (I), S. 108. Zitiert wurde dieser Schluß von Urs Bugmann (XL) und Beatrice Eichmann-Leutenegger (XXXV)
105 Natürlich wurden noch andere Texte mehrfach besprochen, so "Der Fisch" (3 x), "Das Experiment" (3 x), Die Unbefugten (3 x), "Im Bett" (2 x) oder "Die große Reise" (2 x). Zu diesen Texten später mehr (zurück)
106 Mira Beham (XXVII)
107 nach Klaus Gruber (XXVI)
108 Ruprecht Skasa-Weiß (XXIX)
109 Peter Paschen (XXXI)
110 Mira Beham (XXVII)
111 Katja Lange-Müller (II), S. 7
112 Eva Pfister (LX)
113 ebda.
114 Barbara von Becker (LVI)
115 Christian Huther (LVII)
116 ebda.
117 Gisela Bartens (LV)
118 Gunhild Kübler (L)
119 ebda.
120 Peter Haffner (LIX)
121 Peter Haffner (LIX)
122 Mira Beham (LII)
123 Irmtraud Gutschke (LXV)
124 Walter Hinck (LI)
125 alle ebda.
126 Barbara von Becker ((LVI)
127 alle ebda,
128 Regine Dackweiler (IL)
129 Peter Haffner (LIX)
130 Mira Beham (LII)
131 dem einzigen
132 alle folgenden Zitate in Maxim Biller (LIII)
133 Katja Lange-Müller (II), S. 63
134 alle Zitate in Maxim Biller (LIII)
135 Nr. 4-6 1990
136 siehe hierzu die chronologisch aufbereitete Literaturliste
137 Otto Jörg Weis (LXVI)
138 wp (?) (LXVIII)
139 Sven Siedenberg (IC)
140 Katja Lange-Müller (III), S. 10
141 Katja Lange-Müller (III), S. 21
142 ebda., S. 44
143 Ursula März (LXXXVII)
144 Katja Lange-Müller (III), S. 76
145 Meike Fessmann (LXXXIX)
146 Hubertus Winkels (XCVIII)
147 Sven Siedenberg (IC)
148 Sabine Neubert (XCVII)
149 ebda.
150 Hubertus Winkels (XCVIII) An dieser Stelle sei darauf verwiesen, daß diese Untersuchung der Untersuchungen auch auf die Interpretationsmethode der Rezensenten hätte eingehen können. Sicher hätte es auch interessant sein können, den eher poststrukturalistisch geschulten Blick eines Hubertus Winkels (Körpertext), psychoanalytische Betrachtungsweisen (Fessmann, Corino) oder hermeneutische Auslegungen mit ihrer Suche nach einem Textzentrum (fast alle) jeweils zu unterscheiden. Dies aber hätte den ohnehin arg lang geratenen 1. Teil zusätzlich verkompliziert. (zurück)
151 Meike Fessmann (LXXXIX)
152 Heinrich Detering (LXXXVIII)
153 Dietmar Göllner (XCVI). Genau entgegengesetzt sah es Franz Josef Hermann (LXXXVI), der im Text ausdrücklich "keine Abrechnung mit dem DDR-Schulsystem" fand. "Ihre Erlebnisse könnten sich auch an hiesigen Schulen zugetragen haben." (zurück)
154 Hubertus Winkels (XCVIII)
155 Martin Luchsinger (XCIII)
156 Thomas Linden (XCIV)
157 ebda. Alle angeführten Gründe können allerdings für jedwede Stadtkinder gelten.
158 Marianne Bäumler (XCI)
159 Thomas Linden (XCIV)
160 Gespräch mit Thomas Knauf (XXIV)
161 alle Katja Lange-Müller (III), S. 93
162 ebda., S. 114
163 ebda., S. 139
164 war er überhaupt einer? - alles bleibt mysteriös
165 ebda., S. 139
166 Hubertus Winkels (XCVIII)
167 Ursula März (LXXXVI)
168 Dietmar Göllner (XCVI)
169 Ursula März (LXXXVII)
170 Thomas Linden (XCIV)
171 Bernd Herbon (LXXXI)
172 Heinrich Detering (LXXXVIII)
173 Hubertus Winkels (XCVIII)
174 Meike Fessmann (LXXXIX)
175 ebda.
176 Eva Kaufmann ((LXXIX)
177 FIL (?) (LXXVIII)
178 Ursula März (LXXXVII
179 ebda.
180 Diesen Abschied könnte man natürlich auch auf erotische/sexuelle Desillusionierungen beziehen. (zurück)
181 beide Dietmar Göllner (XCVI)
182 Sven Siedenberg (IC)
183 ebda.
184 Martin Luchsinger (XCIII)
185 Gespräch mit Thomas Knauf (XXIV). Es soll hier nicht vergessen sein, daß der Autor keinen Anspruch auf eine Meisterdeutung hat. Seine Intentionen werden aber immerhin deutlich. (zurück)
186 Rainer Klis (LXXXV)
187 Martin Luchsinger (XCIII)
188 Dietmar Göllner ((XCVI)
189 Sabine Peters (LXXXIV)
190 Ursula März (LXXXVII)
191 Katja Lange-Müller (III), S. 120
192 Ursula März (LXXXVII)
193 Hubertus Winkels (XCVIII)
194 ebda.
195 Martin Luchsinger (XCIII). Es wurde aber auch kritisch angemerkt, daß die Autorin zwar "mit einem Kontrastprogramm aus Jargon und Kunstsprache" glänze, aber ihre Prosa mit "gebastelten, ja erzwungenen Hypotaxen" beschädige (worin man allerdings wieder eine formale Entsprechung zu den dargestellten Über- und Unterordnungen sehen könnte). Manche der Sätze hörten sich sogar wie "grammatikalische Knochenbrüche an". (Ursula März (LXXXVII)) Mit dieser Kritik, die auch von einem "bisweilen ... unglücklichen Hang zum Kalauer" zu berichten wußte, blieb Ursula März allerdings allein. (zurück)
196 Sven Siedenburg (IC)
197 Katja Lange-Müller (III), S. 110
198 Beatrice Eichmann-Leutenegger (XCII)
199 zum Beispiel mangelnder Eleganz (Eichmann-Leutenegger)
200 Sabine Peters (LXXXIV). Allerdings verzichtet das Buch auf jede Form von Dialektsprache völlig. (zurück)
201 W. Emmerich (XIII), S. 466
202 ebda., S. 465, Die Formulierung ist von 1989
203 dazu zählte Emmerich Autoren wie Sascha Anderson, Wolfgang Hegewald, Christa Moog, Uwe Kolbe, Frank Wolf Matthis (S. 463f.) (zurück)
204 alle W. Emmerich (XIII), S. 453
205 zu dieser Gruppe - die er ausdrücklich als uneinheitlich bezeichnete - zählte Emmerich Autoren wie Jürgen Fuchs, Thomas Brasch, Günther Kunert, Reiner Kunze oder Hans-Joachim Schädlich (S. 453ff.) (zurück)
206 Andrea Jäger (XV), S. 151
207 ebda., S. 152
208 Andrea Jäger (XV), S. 152. Auf das Problem der Utopienferne wird später eingegangen
209 Gespräch mit Frank Goyke (XXIII)
210 Hans Jürgen Schmitt bemerkt dazu: "An den selbstbewußten DDR-Autor wird eine unangemessene Erwartung geknüpft; er muß stellvertretend den Beweis für die schlechte Verfassung des Sozialismus antreten". (zitiert nach Helmut Kreuzer (Hrsg.), (XIX), S. 163). Diese Zuordnung hat auch Lange-Müller erfahren, wenngleich vor allem in der "abgeschwächten" Form einer ästhetisch-politischen Oppositionsvereinnahmung. (zurück)
211 alle drei Bücher
212 Kasper Mauser
213 U. Janetzki/Wolfgang Rath (VI), S. 10
214 ebda.
215 ebda., S. 11
216 die Auslassungspunkte im Original
217 Katja Lange-Müller (VI), S. 97
218 Selbstaussage im Gespräch mit Thomas Knauf (XXIV)
219 Katja Lange-Müller (VI), S. 99. Birgit Dahlke (IX), S. 6 nennt die Textanfänge bei Lange-Müller "ein ganz eigenes Thema. ... Gerade die Anfänge vieler Texte könnten als Lehrbeispiel für Schreibende dienen." Dabei widmet sie sich vor allem dem "unvermittelten Einstieg" ("Die goldene Morgensonne schien auf Pappis Zentralorgan", in "Das Unglück II", (I), S. 49); "Ich habe hier einen sehr schönen Käfig, der so ziemlich alles enthält, was ich brauche, sofern ich gerade ein Geld besaß", in "Endlich daheim", (I), S. 84) und dem überlangen Satz voller Aufzählungen und "neuer, immer untergeordneter Nebensätze" ("Unsere Schule war ein fast quadratischer Bau aus rotgelben Ziegel, unter dessen Dach früher einmal eine Schokoladenfabrikation gehaust haben soll, was ich manchmal für möglich hielt, wegen des vanilleähnlichen Geruchs, der ..." (insgesamt 21 Zeilen), in "Verfrühte Tierliebe", (III), S. 9f. (zurück)
220 ebda.
221 Katja Lange-Müller (VI), S. 100
222 "Der Einzelne nur Schaum auf der Welle" (Georg Büchner), vergleiche auch das Zitat der Anmerkung 48 (zurück)
223 Gespräch mit Thomas Knauf (XXIV)
224 so der Protagonist in "Lebenslauf" oder die Hauptfigur in der "Verfrühten Tierliebe"
225 so die Hauptfiguren in "Kasper Mauser - Die Feigheit vorm Freund".
226 Katja Lange-Müller (VI), S. 99
227 Beispiele für die Wörteraufmerksamkeit sind u.a. in (I): "metamorphieren" (S. 23), "blindlinkisch" (S. 26), "Kuchenknast" (S. 47), saß All-einsam" (S. 59), "Plüchiater" (S. 64), "Feind-selig - was ein Wort" (S. 65), "mein büstenst(r)amm/halter" (S. 69), "regierige aller länder" (S. 70), "geh!-hirn" (S. 71), "An-eck-Tote" (S. 72); Beispiele aus (II) sind: "blindlinkisch" (S. 11), "Adopstiefsohn" (S. 14), "scheintodtraurig" (S. 19), "Mappi und Pammi" (S. 21), "Tittenjacket" (S. 24), "Unterbrechreiz" (S. 25), "Melancholerische Zustände" (S. 26), "ihm war alles (Blut)Wurst" (S. 30), "menschliche Ächzistenz" ((II), S. 36), "Wozukunft" (S. 39), "nächstletzte Flasche" (S. 50), "Indiviehduum" (S. 70), "auf und (wer kommt) davon" (S. 71), "Imperium Klapptalismus" (S. 72); Beispiel aus dem vorliegenden Text (VI): "Heimat ... eine maritime Katastrophe, irgendwas mit einem Hai und einem Maat" (zurück)
228 Katja Lange-Müller (VI), S. 100
229 Katja Lange-Müller (II), S. 30
230 dazu gehört auch der übergangslose Einbezug verdrängter Diskurse (Träume, Selbstbeschimpfungen, (partiell) hermetische Rausch/Suff-Assoziationen (etwa in "Wehleid - wie im Leben", S. 69f. (zurück)
231 Peter Böthig: über den prenzlauer berg und andere. In: Ulrich Janetzki/Wolfgang Rath (VI), S. 251
232 ebda., S. 251f.
233 Gespräch mit Thomas Knauf (XXIV)
234 ebda.
235 zitiert nach Birgit Dahlke (X), S. 116
236 ebda.
237 Katja Lange-Müller(VI), S. 103
238 ebda., S. 102
239 Birgit Dahlke (X), S. 119
240 Katja Lange-Müller (VI), S. 102
241 Als exemplarisches Beispiel sei hier "Weltende" von Jakob van Hoddis angeführt: "Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut" - Schnitt gen Himmel - "in allen Lüften halt es wie Geschrei" - Schnitt halbhoch - " Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei" - Schnitt zu einem imaginären Zeitungsleser und an eine Küste zugleich - "Und an den Küsten - liest man - steigt die Flut" (zurück)
242 Als Beispiel sei der kurze sprachexperimentelle Text mit dem gewaltigen Titel "II. der platz am fenster (oh! - der) sonntags-gar-dienen?-predigt (altschwedischer Ausprägung) ka's (die kleine weltenschlange) für/gegen/an h. oder: wer seinen kopp nicht aushält, mussn raushalten. stadtschaftsbetrachtung" angeführt, der mit den Worten beginnt: "der krüppel von neulich klebt breit auf der straße. sie war wohl zu taub. himmel warum ist der keusche velemir chlebnikov nicht mehr vorsitzender des erdballs? ich bin ja - aber nicht, weil er keins ist - im prinzip gegen den aphorismus..." (Katja Lange-Müller, (I), S. 70) Hier werden aber Handlungen und Gedanken miteinander simultan verknüpft. (zurück)
243 Damit sind jene (im Beispiel unterstrichenen) Worte gemeint, die den Ursache-Wirkungs-Zusammenhang von Sätzen, das Nachfolgen auf ein Vorangehendes, präsent halten. Beispiel: "... In den folgenden Monaten dachte ich kaum an Bisalzki ... Dann hatte ich, morgens beim Aufwachen ... das Gefühl, die Schlange stünde wieder mit durchgedrücktem Bauch auf meinem Halswirbel ... Ich wußte während dieser physischen Halluzination, daß ich mir bloß in den Nacken greifen müßte, und schon würden sie vergehen. Aber ich gebrauchte meine Hände nicht..." (Katja Lange-Müller, (III), S. 37) (zurück)
244 obwohl manche Texte aus der Frühzeit - wie der unter Anmerkung 240 zitierte- diese Vermutung nahelegen (zurück)
245 "bis es richtig für ihn ist" (VI, S. 102)
246 "ich will einfach nur noch schreiben, was ich schreiben will" (ebda., S. 103) (zurück)
247 allerdings enthält sowohl "Wehleid wie im Leben" als auch "Kasper Mauser. Die Feigheit vorm Freund" recht hermetische Passagen. (zurück)
248 abgesehen vielleicht von jenen Schreibantrieben, die vielen Schreibenden die einsame Arbeit am Schreibtisch entlohnen: öffentlich wahrgenommen, bedacht, interpretiert, ernst genommen oder befragt und ebenso gelobt, umschwärmt oder "geliebt" zu werden. Auch wenn die Buchproduktion der Autorin nur selten solche Entlohnung gestattet, kann man wohl keinen Autor und keine Autorin von diesen (eigentlich gar nicht) "profanen" Antrieben frei vermuten. (zurück)
249 Katja Lange-Müller, (VI), S. 102, siehe auch Anmerkung 75
250 Genau so "funktioniert" auch ihr poetologischer Text, in dem die Autorin nicht einfach "statt übers Schreiben ... über ihre Biographie" plaudert (Birgit Dahlke, (X) , S. 119), sondern indem sie ausführlich über ihre Biographie spricht, gibt sie zugleich über die Art ihres Schreibens Auskunft. (zurück)
251 Jaques Derrida (XI), S. 393
252 Giesela Ecker, (XII), S. 13
253 auch
254 Katja Lange-Müller (III), S. 29
255 Katja Lange-Müller (I), S. 12
256 ebda.
257 Katja Lange-Müller (II), S. 7
258 ebda., S. 13
259 ebda., S. 23
260 ebda., S. 14
261 ebda., S. 74
262 ebda.
263 ebda., S. 19
264 ebda., S. 72. Einen ähnlichen Zusammenhalt der Abgesonderten zeigt ein Brief an Medea ("Doch hoffe ich, Medea hört mich nicht", (V), S. 160ff.), worin die Zeitgenossin und Kindsmörderin Medea - trotz Fremdheit und Beschimpfung - als Zellennachbarin vorgestellt wird, als eine mit "Du" angesprochene Gesprächspartnerin, die auch nach Entlassung der Ich-Erzählerin weiterhin im Gefängnis besucht wird. Die Ich-Erzählerin selbst sitzt übrigens wegen eines kriminalisierten Rauschverlangens ("Beschaffungsdelikt", ebda., S. 160), womit ihre eigene Distanz zur appolinischen bürgerlichen Vernunftordnung angedeutet ist. Eine Feier des Kriminellen (von Medea oder dem eigenen Beschaffungsdelikt) a la Burroughs findet aber nicht statt. (zurück)
265 Katja Lange-Müller (I), S. 89-91
266 Als weitere "verrückte" Gestalten seien aus "Das Experiment oder die Frankensteinvariante" ((I), S. 109-123) der Arzt Jaroslav Svoboda angeführt, der einem jungen Affenkörper einen alten Affenkopf aufgenäht hat und der dieses Tier betreuende Pfleger Lubomir, der schließlich seinen Kopf der Wissenschaft "zu Füßen" legt, damit nach dem Tierversuch der letzte Schritt gegangen werden kann. Erinnert sei auch an den "Brief aus Herzberge an die Muttergottes" (Anmerkung 69), in dem Jakob van Hoddis seiner Mutter in verzweifeltem Ton schreibt. (zurück)
267 Katja Lange-Müller (I), S. 13-22
268 ebda., S. 13
269 ebda., S. 17
270 Katja Lange-Müller (I), S. 42-46
271 ebda., S. 45
272 zitiert nach Michael Kothes (XVIII)
273 Der Verhaltenspsychologe Leary, der um 1960 an der Harvard-Universität mit LSD zu experimentieren begann und damit zum Mitauslöser der späteren Drogenkultur der Hippies wurde, sagte nach seinen ersten Erfahrungen mit Halluzinogenen: Es war unbedingt und ohne Frage die tiefste religiöse Erfahrung meines Lebens. Ich entdeckte, daß Schönheit, Offenbarung, Sinnlichkeit, die zelluläre Geschichte der Vergangenheit, Gott und Teufel - alle in meinem Körper liegen, außerhalb meines (normalen) Bewußtseins." (zitiert nach Hans -Christian Kirsch (XVI), S. 294) (zurück)
274 zitiert nach Hans-Christian Kirsch ((XVI), S. 295. Sowohl Burroughs als auch Kerruac haben einschlägige Drogenerfahrungen. (zurück)
275 ebda., S. 162
276 ebda., S. 163
277 Katja Lange-Müller (I), S. 60
278 ebda., S. 60-62
279 ebda., S. 62
280 Katja Lange-Müller (I), S. 51f.
281 alle ebda.
282 Katja Lange-Müller (I), S. 89
283 Katja Lange-Müller (I), S. 84f.
284 beide ebda.
285 Katja Lange-Müller (II), S. 48
286 ebda., S. 50
287 ebda., S. 39
288 ebda. S. 39f.
289 ebda., S. 86
290 Gemeint ist der titellose Text in "Spannungen - Menschen - In der Stadt. (VI,2), in dem die deutschen Stammtrinker der "Feuchten Welle" einen Polen beleidigen (S. 46ff.) (zurück)
291 etwa an Ginsbergs Langgedicht "Howl" oder an Kerouacs "On the Road" (zurück)
292 Hans-Christian Kirsch (XVI), S. 98
293 Katja Lange-Müller (V)
294 ebda, S. 162
295 ebda., S. 163
296 ebda., S. 164
297 Katja Lange-Müller (I), S. 70
298 Katja Lange-Müller (V), S. 164
299 ebda.
300 Katja Lange-Müller (I), S. 72f.
301 ebda., S. 73
302 mit ihren Parallelen zur Situation und Person der Autorin (zurück)
303 Katja Lange-Müller (II), S. 74. Zu den Zitaten dieser Anmerkung und von Anmerkung 299 soll an eine Einsicht erinnert werden, die manchmal in den in den Rezensionen anklang, aber von Adolf Endler in die trefflichsten Worte gefaßt wurde: daß sich nämlich ihr Protest nicht allein "gegen die 'Gesellschaft' oder die Weltordnung schlechthin" richte, sondern "nicht zuletzt gegen die Autorin selbst. Selbstironie, ohnehin eine große Seltenheit in unserem Land, hat sich verschärft zum gnadenlosen Sarkasmus gegenüber den eigenen 'Befindlichkeiten', Bewegungen, Artikulationen; man könnte von 'Autosarkasmus' sprechen .... Es steckt ein Moment von Selbstvernichtung, von Selbstauslöschung in all dem, das einem Angst machen kann." (LXXX) . Diesem Vorgang, der in einer Zeit der unkritischen Selbstdarstellungen und der permanent vorgezeigten Erfolge letztlich doch eine direkte Gesellschafts- oder Zeitkritik ist, könnte eine andere Arbeit weiter nachgehen. (zurück)
304 ebda., S. 45. Die gleiche Aussage wendet Lange-Müller übrigens auf die Beschreibung ihres Verhältnisses zur DDR an. (zurück)
305 Katja Lange-Müller (I), S. 74
306 ebda. , S. 24
307 ebda., S. 70
308 Katja Lange-Müller (V), S. 161
309 ebda., S. 164
310 Katja Lange-Müller (II), S. 31
311 Katja Lange-Müller (I), S. 48. Diese Passage im "Brief aus Herzberge an die Muttergottes" ist meiner Kenntnis nach im übrigen die einzige, in der ein beatnikgemäßer Rausch angesprochen wird. (zurück)
312 Katja Lange-Müller (I), S. 9
313 ebda., S. 7
314 alle ebda.
315 alle ebda., S. 8
316 ebda., S. 9
317 In diesem ersten Text kommt auch eine "von Godafterraupen kahl gefressene Eiche auf dem mit Schlacke bestreuten Schulhof" vor (S. 10), um den 300 Kinder in den Pausen kreisen. Der gleiche Baum findet sich dann wieder in "Verfrühte Tierliebe" (III), S. 11f (zurück)
318 ebda., S. 14
319 Katja Lange-Müller (I), S. 112
320 ebda.
321 zitiert nach Ingrid Czechowski ((VIII), S. 40
322 ebda., S. 39
323 ebda., S. 140
324 ebda., S. 38ff.
325 ebda., S. 41
326 ebda., S. 55-59
327 ebda.
328 alle ebda., S. 56
329 alle ebda., S. 57
330 die kursive Hervorhebung im Text soll auf die gleiche Floskel in den Todesanzeigen hindeuten (zurück)
331 alle ebda., S. 58
332 ebda., S. 40. Obwohl sich der letzte Satz ausdrücklich auf ein neues Buchprojekt bezieht, kann dieser Gedanke auch auf viele vorige Texte angewandt werden. (zurück)
333 In der schon erwähnten titellosen Kneipengeschichte aus "Spannungen - Menschen in der Stadt" (VI,2), S. 46 ff.) sitzt die Erzählerin an einem Tisch in Türnähe (S. 47), von dem aus sie die Szene betrachtet. Erst als der "Zapfer" die Polizei ruft (S. 52), um unter dem Vorwand, " der Pole" habe vor die Tür uriniert ( obwohl einige Kneipeninsassen ihm den Zutritt zur Toilette verstellt hatten), eine Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses anzetteln will, beteiligt sie sich an einer Abstimmung, in der mit 3:2 Stimmen der Pole durch die Gäste vom Vorwurf entlastet wird. (S. 53f.) Eine ähnliche Beobachterrolle findet sich in jenen neuen Texten, die im "Zeitmagazin" abgedruckt werden (siehe unter "Weitere Primärliteratur") und die nach Aussage der Autorin in ihr neues Buch eingehen sollen. (zurück)
334 alle ebda., S. 47
335 ebda. S. 48
336 ebda., S. 49
337 ebda., S. 50
338 ebda., S. 51
339 so springt Moosjacke mit vor die Toilettentür, ordnet sich dann aber bei der Abstimmung - im Angesicht der Polizei - den Gegnern einer Anzeige zu. (S. 53f.) (zurück)
340 so muß sich auch der Pole von der Erzählerin Verhaltensvorwürfe anhören (zurück)
Primärliteratur
Zitierte Primärliteratur
Katja Lange-Müller: Wehleid - wie im Leben, Frankfurt a. M. 1986 (I)
Katja Lange-Müller: Kasper Mauser - Die Feigheit vorm Freund, Frankfurt a. M. 1988 (II)
Katja Lange-Müller: Verfrühte Tierliebe, Köln 1995 (III)
Katja Lange: Ausgangspunkte (darin: Die Unbefugten (Kurzprosa), Singsang (Gedicht), Liebes-Kunst-Gewerbe (Gedicht); Vermutung (Kurzeinführung von Werner Liersch), Neue Deutsche Literatur Nr. 12/1976, S. 89-94 (IV)
Katja Lange-Müller: Doch hoffe ich, Medea hört mich nicht. In: Es geht mir verflucht durch Kopf und Herz, hrsg. von Gabriele Kreis und Jutta Siegmuns-Schultze, Hamburg 1990, S. 160-167 (V)
Katja Lange Müller: Ein Hang zum Brühwürfel. In: Tendenz Freisprache - Texte zu einer Poetik der achtziger Jahre, hrsg. von Ulrich Janetzki und Wolfgang Rath, Frankfurt a.M. 1992 (edition suhrkamp 1675), S. 99-103 (VI)
Katja Lange-Müller: Das Faktotum von Moabit (Erzählung). In: Das Vergängliche überlisten. Selbstbefragungen deutscher Autoren, hrsg. von Ingrid Czechowski, Leipzig 1986, S 55-59 (VI,1)
Katja Lange-Müller: Spannungen - Menschen - In der Stadt. In: Ingrid Czechowski (Hrsg.), Das Vergängliche überlisten. Selbstbefragungen deutscher Autoren, Leipzig 1996, S. 38-59 (VI,2)
Weitere Primärliteratur aus Anthologien, Zeitungen und Zeitschriften (chronologischer Überblick)
Katja Lange-Müller: Das Experiment oder die Frankensteinvariante. In: Mikado Nr 2/3 1984
Katja Lange-Müller: Wer hat Angst vorm schwarzen Mann. In: Mikado 4/1984 (auch enthalten in: Mikado oder Der Kaiser ist nackt. Selbstverlegte Literatur in der DDR, hrsg. von Uwe Kolbe, Lothar Trolle und Bernd Wagner, Darmstadt 1988, S. 76-83)
Katja Lange-Müller: Ulan Bator, Februar 1983 (u.a.). In: Sascha Anderson/Elke Erb (Hrsg.): Berührung ist nur eine Randerscheinung. Neue Literatur aus der DDR, Köln 1985, S. 53-55
Katja Lange-Müller: Mädel, wo ist die Trommel?. In: Journal für die Frau, Nr. 21/1986, S. 48
Katja Lange-Müller: Die Rache. Eine assoziative Abhandlung zu den Themen Jünglingsmord und Schreibtischtod sowie zur Person Johannes Robert Becher. In: Neue Rundschau 2/3 1986, S. 29-31
Katja Lange-Müller: Einige Paare: In: Freibeuter Nr 30/1986, S. 128
Katja Lange-Müller: Mitten aus dem ersten Schlaf. In: Neue Rundschau Nr. 4/1987, S. 98-101
Katja Lange-Müller: Lebenslauf. In: Heinrich von Berenburg/Klaus Wagenbach (Hrsg.): Deutsche Demokratische Reise. Ein literarischer Reiseführer durch die DDR, Berlin 1989, S. 101-106
Katja Lange-Müller: Mich sollst du drücken - nicht das Heroin (Dramatische Prosa). In: Sprache im technischen Zeitalter Nr. 111/1989
Katja Lange-Müller: Und bei der Gelegenheit. In: Michael Naumann (Hrsg.), "Die Geschichte ist offen". DDR 1990: Hoffnung auf eine andere Republik, Hamburg 1990, S. 105-110
Katja Lange-Müller: danach ist Fidschi-Land. In: Theater heute Nr. 4/1990
Katja Lange-Müller: Wer ist eigentlich dieser Hamlet. In: Theater heute N. 4/1990
Katja Lange-Müller: Wir sind nicht die Fische von Daniel Charms. In: Theater heute Nr. 6/1990
Katja Lange-Müller: Die Frau soll ich drücken, nicht das Heroin (Dramatische Prosa, 2. Fassung von "Mich sollst du drücken..."). In: Neue Zürcher Zeitung (Fernausgabe) vom 11. 9.9 1992
Katja Lange-Müller: Die Ente in der Flasche. In: Frank Hörnigk u.a. (Hrsg.), Kalkfell. Arbeitsbuch für Heiner Müller, Berlin 1996, S. 129-131
Katja Lange-Müller: Am langen Strick. In: Zeitmagazin vom 20.12. 1996 (Nr. 52/96)
Katja Lange-Müller: Schneewittchen im Eisblock. Ein Spiegelbild (Dramatische Prosa, 3. Fassung von "Mich sollst du drücken..."). In: Theater der Zeit Januar/Februar/1997
Katja Lange-Müller: Terror über den Wolken. In: Zeitmagazin vom 22.11. 1996 (Nr. 48/96)
Katja Lange-Müller: berliner idyll - ein abzählreim (u.a.). In: Katja Lange-Müller (Hrsg.): Bahnhof Berlin, München 1997
Katja Lange-Müller: Der Fraß der Poeten. In: Zeitmagazin vom 11. Juli 1997 (Nr. 29/97)
Katja Lange-Müller: Baden gehen. In: Zeitmagazin vom 5.9. 1997 (Nr. 37/97)
Katja Lange-Müller: Unsere Vollkloschis. In: Zeitmagazin vom 3.10. 1997 (41/97)
Benutzte Sekundärliteratur
Monographien/Bücher
Sascha Anderson/Elke Erb (Hrsg.): Berührung ist nur eine Randerscheinung, Köln 1985, S. 57-59 (VII)
Ingrid Czechowski (Hrsg.): Das Vergängliche überlisten. Selbstbefragungen deutscher Autoren, Leipzig 1996 (VIII)
Birgit Dahlke: "Ein Hang zum Brühwürfel" - Prosa von Katja Lange-Müller (Manuskript) (IX)
Birgit Dahlke: Papierboot. Autorinnen aus der DDR - inoffiziell publiziert, Würzburg 1997 (X)
Jaques Derrida: Die Struktur, das Zeichen und das Spiel im Diskurs der Wissenschaften vom Menschen. In: Französische Essays der Gegenwart, hrsg. von Alain Lance und Maurice Regnaut. Berlin (Ost): Volk und Welt, 1985 (XI)
Gisela Ecker: Spiel und Zorn. In: Frauen, Literatur, Politik, hrsg. von Annegret Pelz, Marianne Schuller u.a. Hamburg: Argument, 1988 (XII)
Wolfgang Emmerich: Kleine Literaturgeschichte der DDR, Frankfurt a.M. 1989 (XIII)
Frank Goyke/Andreas Sinakowski (Hrsg.): Jetzt wohin? Deutsche Literatur im deutschen Exil. Gespräche und Texte, Berlin 1990 (XIV)
Andrea Jäger: Schriftsteller aus der DDR. Ausbürgerungen und Übersiedlungen von 1961 bis 1989, Bd.1 (Autorenlexikon) und Bd. 2 (Studie), Frankfurt a.M. 1995 (= Schriften zur Europa- und Deutschlandforschung Bd.1 u. 2) Anmerkung: In Bd. 1 findet sich eine ausführliche Bibliographie aller erschienener Primärtexte (auch aus Zeitschriften, Zeitungen und Anthologien) sowie Angaben zu vielen Rezensionen. (XV)
Ulrich Janetzki/Wolfgang Rath (Hrsg): Tendenz Freisprache. Texte zu einer Poetik der achtziger Jahre, Frankfurt a.M. 1992 (VI)
Hans-Christian Kirsch: Dies Land ist unser. Die Beat-Poeten William S. Burroughs, Allen Ginsberg, Jack Kerouac. München 1993 (XVI)
Kleines Politisches Wörterbuch, Herausgeberkollektiv, Berlin 1973 (XVII)
Michael Kothes: Nachtleben. Topographie des Lasters. Frankfurt a.M. 1994 (XVIII)
Helmut Kreuzer (Hrsg.): Pluralismus und Postmodernismus. Zur Literatur- und Kulturgeschichte der achtziger Jahre, Frankfurt .a.M. 1991 (= Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte, Bd. 25) (XIX)
Joachim Walther: Sicherungsbereich Literatur. Schriftsteller und Staatssicherheit in der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1996 (XX)
Wer war wer in der DDR. Ein biographisches Handbuch, Hrsg. von Bernd-Rainer Barth, Christoph Links u.a., Frankfurt a.M. 1995 (XXI)
Benutzte Zeitungs- und Zeitschriftenartikel zu Katja Lange-Müller (zugleich ein chronologischer Überblick)
Gespräche/Porträts
Johanna Romberg: Katz und Maus mit Worten, Stern Nr 37/86 vom 4.9. 1986 (XXII)
Mira Beham: Klimmzüge am Rande des Horizonts, Süddeutsche Zeitung vom 4.9. 1986 (XXII,1)
Frank Goyke: Ich bin nicht ins Exil, ich bin in die Therapie gegangen, in: Jetzt wohin? Deutsche Literatur im deutschen Exil, hrsg. von Frank Goyke u. Andreas Sinakowski, Berlin 1990 (XXIII)
Thomas Knauf: Heimat ist eine maritime Katastrophe, Freitag, Nr 18 vom 28.4. 1995) (XXIV)
Sven Siedenberg: Rauchen ist ihre Sucht - Schreiben nicht, Süddeutsche Zeitung vom 1.12. 1995 (XXV)
Ingeborg Bachmann-Wettbewerb
Klaus Gruber: Auf Berufsumwegen zum Schreiben, Saarbrücker Zeitung vom 1.7. 1986 (XXVI)
Mira Beham: Das wahre Schöne und die Anarchie, Süddeutsche Zeitung vom 1.7. 1986 (XXVII)
Siegmund Kastner: Zwischen Kiste und Wanne, Kleine Zeitung (Klagenfurt) vom 1.7. 1986 (XXVIII)
Ruprecht Skasa-Weiß: Freundlich ins Gezänk vertieft, Stuttgarter Zeitung vom 2.7. 1986 (XXIX)
o.N: Klagenfurt oder die Fruchtbarkeit von Irrtümern, Die Weltwoche Nr. 27/86 vom 3. 7. 1986 (XXX)
Peter Paschen: (Titel nicht kopiert) Rheinischer Merkur/Christ und Welt vom 4.7. 1986 (XXXI)
Frauke Ohloff: Wer nicht hören will, muß reden, Der Bund (Bern) vom 5.7. 1986 (XXXII)
Rezensionen zu "Wehleid - Wie im Leben"
Jürgen Jacobs: Die Kelle und die Kellnerin, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.3. 1986 (XXXIII)
Konrad Franke: Stimmungsbilder, Süddeutsche Zeitung vom 30.4./1.5. 1986 (XXXIV)
Beatrice Eichmann-Leutenegger: Desolates Gelächter, Neue Zürcher Zeitung vom 9.5. 1986 (XXXV)
Effi Horn: ...anrührend selbst noch im eigentlich schwer Erträglichen, Münchner Merkur vom 16.5. 1986 (XXXVI)
Werner Irro: Eben nicht wie im Leben, Frankfurter Rundschau vom 12.7. 1986 (XXXVII)
Heimo Schwilk: Worte wie Clowns, Rheinischer Merkur Nr. 30/86 vom 18.7. 1986 (XXXVIII)
Karl Corino: Mehr als nur dienen, Stuttgarter Zeitung vom 19.7. 1986) (XXXIX)
Urs Bugmann: Unzweckmäßige Emotionen sind nicht auszuschließen, Luzerner Neueste Nachrichten vom 25.7. 1986 (XL)
Cornelia Cöster: Mal schnoddrig, mal traurig, Tagesspiegel (Berlin) vom 27.7. 1986 (XLI)
Heinz Mudrich: Mit einer Schlange im Rasierwasser, Saarbrücker Zeitung vom 31.7. 1986 (XLII)
Oliver Sichert: Gereizt bis auf die Schönheit, TAZ vom 23.8. 1986 (XLIII)
Karl Corino: Dienst für die Hilflosen, Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 23./24. 8. 1986 (XLIV)
Karl-Heinz Götze: Wie im Leben, Deutsche Volkszeitung /die tat vom 10.10. 1986 (XLV)
Werner Buhss: Liebe ist eine harte Kiste, Der Spiegel vom 17.11. 1986 (XLVI)
Antonie Schweitzer: Schreck in der Großstadt, Kölner Stadtanzeiger vom 6.3. 1987 (XLVII)
Rezensionen zu "Kasper Mauser - Die Feigheit vorm Freund"
Helmut Böttiger: Schnodderschnauzenliteratur (Lesungsbericht), Stuttgarter Zeitung vom 27.6. 1987 (XLVIII)
Regine Dackweiler: Bunt ist unsere Lieblinsgfarbe, Listen - Zeitschrift für Leserinnen und Leser, Nr 11/88 (IL)
Gunhild Kübler: Nicht los-, nicht an- und doch davongekommen, Neue Zürcher Zeitung vom 6.5. 1988 (L)
Walter Hinck: Kauf und stirb, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7.5. 1988 (LI)
Mira Beham: Tränen gegen den Durst, Süddeutsche Zeitung vom 14./15.5. 1988 (LII)
Maxim Biller: Wo Weltschmerz wütet, Tempo Nr. 6/1988 (LIII)
Martin Hielscher: Von Eirich Hornickel bis Schwilli Woof - Katja Lange Müllers west-östlicher Jammer, Szene Hamburg Nr 6/1988 (LIV)
Gisela Bartens: Knapp vor dem Absturz, Kleine Zeitung (Klagenfurt), Nr 3/1988 (LV)
Barbara von Becker: Tarntracht vor dem Leben, Frankfurter Rundschau vom 4.6. 1988 (LVI)
Christian Huther: Kasper Hauser in der Mauser, Bonner Generalanzeiger vom 28.7. 1988 (LVII)
Mira Beham: Lebenslüge, Münchner Stadt Zeitung Nr. 19/1988 (LVIII)
Peter Haffner: Katja Lange-Müllers Erzählung "Kasper Mauser", Basler Zeitung vom 9.12. 1988 (LIX)
Eva Pfister: Humor und Katerstimmung, Rheinische Post/Düsseldorf vom 24. 12. 1988 (LX)
Johanna Wieland: Wort-Kannibalin, Literatur konkret, 1988/89 (LXI)
Eva Pfister: Katja Lange-Müller, Emma, Nr. 1, Januar 1989 (LXII)
Martin Ahrends: Ächsistenz für Unterwegs, Die Zeit, Nr. 13 vom 24.3. 1989(LXIII)
Irmtraud Gutschke: Frust ohne Grenzen, Neues Deutschland vom 4.9. 1990 (LXIV)
Irmtraud Gutschke: Im Niemandsland verloren, der literat Nr 9/90 vom 15.9. 1990 (LXV)
Stadtschreiber in Bergen-Enkheim
Otto Jörg Weis: Lieber schreiben als reden, Frankfurter Rundschau vom 30.8. 1989 (LXVI)
o.N.: Vor der Lektüre kommt der Augenschein, Frankfurter Allgemeine Zeitung ohne Datum (LXVII)
wp: Sauer und noch etwas fremd, Frankfurter Rundschau vom 4.9. 1989 (LXVIII)
Reinhard Tschapke: In der Bücherwelt verbunkert, Die Welt vom 4.9. 1989 (LXIX)
mb: Aus den Berlins nach Bergen, Frankfurter Rundschau vom 5.9. 1989 (LXX)
Inka Bohl: Ich an-ecke, eckst Du mit?, der literat, Nr. 9 vom 15.9. 1989 (LXXI)
Kurt Helbig: Das Deutsche als Thema und Sehnsucht, Kölner-Stadt-Anzeiger vom 11. 1. 1990 (LXXII)
Alfred Döblin-Preis
Cornelia Geißler: Die kleine Käferbastlerin , Berliner Zeitung vom 8.5. 1995 (LXXIII)
Mirjam Schaub: Augenblicke des Glücks, Frankfurter Rundschau vom 8.5. 1995 (LXXIV)
Jörg Plath: Dominanz des Handwerklichen, TAZ vom 9.5. 1995 (LXXV)
Helmut Böttiger: Laudatio auf Katja Lange-Müller und Ingo Schulze, Sprache im technischen Zeitalter, Nr. 134/1995 (LXXVI)
Christine Wahl: Ausgerissen? Ausgereist?, Der Tagesspiegel vom 17.7. 1995 (LXXVII)
Rezensionen zu "Verfrühte Tierliebe"
FIL: Abrechnung mit Macht, Emma, Nr. 5, Mai 1995 (LXXVIII)
Eva Kaufmann: Ganz real und völlig absurd, Neue Deutsche Literatur Nr. 6/1995 (LXXIX)
Adolf Endler: Ein weiblicher Beatnik!, Berliner Zeitung vom 19./20.8. 1995 (LXXX)
Bernd Herbon: Die Schlange im Nacken, Darrmstädter Echo vom 11.9. 1995
(LXXXI)
Hans Dieter Heimendahl: Katja Lange-Müller: Verfrühte Tierliebe, Zitty, Nr. 19/95 vom 15.9. 1995 (LXXXII)
Karin Großmann: Käfer und Kokosfett, Sächsische Zeitung vom 22.9. 1995 (LXXXIII)
Sabine Peters: Diese ganze verschlungene Alptraumgirlande: Katja Lange-Müllers Erzählungen "Verfrühte Tierliebe", Baseler Zeitung vom 6.10. 1995 (LXXXIV)
Rainer Klis: Eine Prosa - klar wie der Morgen danach, Freie Presse Hannover vom 6. 10. 1995 (LXXXV)
Franz-Joseff Herrmann: "Käfer" oder die verfrühte Liebe zu Tieren, Natur 11/1995 (LXXXVI)
Ursula März: Lebensbagatellen, Neue Zürcher Zeitung vom 2.11. 1995 (LXXXVII)
Heinrich Detering: Kunst mit Kerbtieren, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4.11. 1995 (LXXXVIII)
Meike Fessmann: Geschichte einer Demütigung in zwei Varianten, Süddeutsche Zeitung vom 8.11. 1995 (LXXXIX)
mw: Herzloses Kriechtier, Handelsblatt vom 17./18.11. 1995 (XC)
Marianne Bäumler: Alltagsgrotesken, Stadt Revue Köln Nr 12/1995 (XCI)
Beatrice Eichmann-Leutenegger: Mit kaltem Interesse, Der Bund (Bern) vom 9.12. 1995 (XCII)
Martin Luchsinger: Die bizarre Banalität einer DDR-Jugend, Tagesanzeiger (Zürich) vom 9./10. 12. 1995 (XCIII)
Thomas Linden: Sternstunde mit einer Anakonda, Kölnische Rundschau vom 13. 12. 1995 (XCIV)
uk.: Fesselnde Atmosphäre, Allgemeine Zeitung (Mainz) vom 28.12. 1995 (XCV)
Dietmar Göllner: Kafkas Käfer hat sich wieder verwandelt, Berliner Morgenpost vom 6./7.1. 1996 (XCVI)
Sabine Neubert: Phantastischer Umgang mit Käfern, ND vom 1.3. 1996 (XCVII)
Hubert Winkels: Die Augäpfel der blinden Rättin, Die Zeit vom 8.3. 1996 (XCVIII)
Sven Siedenburg: Einsames Erwachsenwerden, Stuttgarter Zeitung vom 11.4. 1996 (IC)
Hansjörg Schertenleib: Katja Lange-Müllers Tierliebe, Die Weltwoche Nr 20, 64. Jahrgang vom 16.5. 1996 (C)
1986: Ingeborg-Bachmann-Preis
1990 Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim
1991/92 New York-Stipendium des Deutschen Literaturfond Darmstadt
1995 Alfred-Döblin-Preis
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